Go Asia! Artist-in-Residence-Programm für Tokio
Zwei Monate dauerte der Aufenthalt von
Bettina Jungrichter in Tokio. In einer hervorragend ausgestatteten
Schule, dem privaten Hiko Mizuno College of Jewellery,
hatte sie einen Arbeitsplatz, wo sie erste Entwürfe umsetzte. Außerdem
nutzte sie die Zeit um das Land kennen und verstehen zu lernen, Museen
und Kunstsammlungen zu besuchen. Zu den berühmten Tempelanlagen und
Zen-Gärten Kyotos führte sie eine Reise, die von der Kunststiftung
ebenso arrangiert wurde, wie die Bekanntschaft mit dem Inhaber der
einzigen Galerie in Tokio für zeitgenössischen Schmuck, »Deux poissons«,
sowie eine Ausstellung in der Galerie „Kingyo“, bei der sie Arbeiten
der letzten fünf Jahre zeigte und auch verkaufte. Beeindruckt war Bettina Jungrichter zwar von
den reich verzierten, traditionellen Kimonos, die viele Japanerinnen und
ihre Kinder trugen, wenn sie Tempel und Schreine besuchten. Doch weder
diese Festkleidung noch das japanische Schmuckschaffen, das sich nur
wenig vom europäischen abhebt, inspirierten die Künstlerin. Sie war auf
der Suche nach Mustern, Symbolen und Zeichen, aus denen sich neue
dekorative Elemente entwickeln lassen und fand sie in
phantastisch gestalteten Alltagsdingen: In Kanaldeckeln, die mit
stilisierten Kirschblüten, Chrysanthemen und Hirschen verziert
sind, in Regenketten aus Eisen, Bronze, Kunststoff, die – statt
hiesiger banaler Fallrohre – das Wasser von den Dächern zu Boden leiten.
Neu entstandener Halsschmuck von Bettina Jungrichter ist dem
Variantenreichtum der Regenkettenglieder, die von kleinen Kelchen
unterbrochen werden, nachempfunden. Auch die liebevolle und ästhetische
Anrichtung von Speisen – selbst an den Imbissständen – hinterließ Spuren
im Werk der Schmuckkünstlerin: Ihre Broschen »Augenschmaus« erinnern an
den Inhalt von Assietten – kleine, dekorativ angerichtete Häppchen, farblich abgestimmt, verziert mit bunten Blüten aus Stärke.
Das Geschirr meiner Mutter
Klirr – das gute Porzellan der Großmutter liegt auf dem
Boden: Irgendwann geht in jedem Haushalt das eine oder andere gute Stück zu
Bruch. Die Künstlerin hat diese Bruchstücke verarbeitet und die ursprünglichen
Gebrauchsgegenstände in eine künstlerische Ebene transferiert. Ein Aspekt der entstandenen
Schmuckserie ist das Nachspüren und Erforschen der Erinnerungen, die an den
zerbrochenen Geschirrstücken hängen. Alte Geschirre wurden bzw. werden meistens
vererbt und stellen einen Zeitgeschmack dar, der von den Erben vielleicht nicht
immer als schön empfunden wird, doch wegen der Erinnerung , an die jeweilige
Person aufgehoben wird. Fast immer hängen an Geschirrteilen Erinnerungen, gute
wie schlechte. Die Geschichten der Stücke reichen vom wertvollen Aussteuerstück
bis zum eigentlich schon ausrangierten Teller in der Gartenlaube, der bei einer
Feier kaputt ging. Auch von Reisen werden Geschirrteile mitgebracht und mit
Erinnerungen verbunden. Zu Beginn des Stipendiums hat die Künstlerin mit dem
Sichten von vorhandenen Scherben Meißner Porzellans ihrer Mutter begonnen, die
auch den Anlass zum Vorhaben gegeben hatten. Daraus ergaben sich viele Motive
und Ideen. Besonders reizten sie Details von Dekoren und so machte sich Bettina
Jungrichter auf die Suche nach dem perfekten Bruchstück. Einige Teile wurden daher
mit Diamantschneidscheiben nachbearbeitet, um scharfe Kanten zu entfernen und
Details etwas enger zu setzen. Die Bruchstücke wurden dann in den Halsschmuck
integriert. Entstanden sind so die Unikate Der
Reigen, Tasse, Der Deckel, Goldrand und Esters Teller.
1974 in Halle (Saale)
geboren | 1995 – 2001 Studium an der Burg Giebichenstein – Hochschule für Kunst
und Design Halle, Studienrichtung Schmuck | lebt als freischaffende
Schmuckkünstlerin in Halle (Saale)
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