Das Kleeblatt-Album
Das Kleeblatt-Album
Simone Trieder hat die geheime Korrespondenz von Krystyna Wituska, Maria Kacprzyk und Lena Dobrzycka, drei in Moabit inhaftierten Polinnen, die im Nationalsozialismus Widerstand gegen die deutschen Besatzer leisteten und zum Tode verurteilt wurden, mit der 16-jährigen Berlinerin Helga Grimpe bearbeitet. Dazu hat sie die Kassiber transkribiert und sowohl historisch als auch biografisch eingeordnet. Als Kleeblatt bezeichneten sich die drei Häftlinge. Das vierte Kleeblatt war die Tochter der Wärterin Hedwig Grimpe. Sie sammelte die Briefe und heftete sie in einem Leitzordner ab. Auf den grauen Deckel des Ordners malte sie ein vierblättriges Kleeblatt. Das „Kleeblatt-Album“ ist 1943 entstanden und liegt heute in Warschau im Archiv. Die 78 Kassiber lagen Simone Trieder als Scans vor. Sie sind z. T. schwer lesbar (Bleistift auf Tütenpapier), manchmal – wegen der Angst vor Entdeckung – in Eile geschrieben. Die Polinnen schrieben auf Deutsch und sie beherrschten die Sprache unterschiedlich gut. Grammatik und Satzstellung sind beibehalten, die Orthografie wurde um des besseren Verständnisses behutsam angeglichen. Durch die Recherchen zum Buch „Zelle Nr. 18“ konnte Simone Trieder die Situation im Gefängnisalltag historisch und biografisch einordnen. In einem Nachwort wird dann die dramatische Geschichte über die Rettung des „Kleeblatt-Albums“ in den Kriegswirren erzählt. Die Autorin hat mit der Arbeit am Buch die polnische Opfergruppe sowie die stillen Heldinnen, die Gefängniswärterin und deren Tochter, gewürdigt. Die Sammlung ist ein einzigartiges, zeitloses Zeugnis von Mut, Zivilcourage, Nachdenken über die Zeit und die Zukunft, lebendig, schwermütig, oft übermütig.
Short Stories
Für das Aufenthaltsstipendium bewarb sich Simone Trieder mit Short Stories. Einige der Texte wurden bereits 2020 konzipiert und wurden weiterbearbeitet. Neue Texte konnten der Sammlung von insgesamt 16 Short Stories hinzugefügt werden. Im Frühjahr 2022 ist in einer Auflage von 15 Stück in der Solomon-Presse eine Kassette im Handsatz auf selbstgeschöpften Papier von Bettina Wija-Stein zu sieben Texten der Sammlung erschienen.
Saftra ist nicht morgen (AT) - Unsere russischen Jahre
In der Nacht vom 22. Oktober 1946 wird das Leben von ca. zweieinhalb tausend Familien in der Besatzungszone der UdSSR schlagartig verändert. Sie werden aus ihrem Schlaf von Soldaten der Sowjetunion gerissen und müssen ihr altes Leben hinter sich lassen für ein neues in einem fremden Land. Ingenieure und Techniker der Flugzeug- und Maschinenindustrie dienen als lebende Reparation. Zusammen mit ihren Familien werden sie in die Sowjetunion verschleppt, eine neue Zwangs-Heimat. Der Roman, der während des Stipendiums entstand, erzählt die Geschichte von Ida: Die 22-jährige Studentin aus Sachsen-Anhalt, blickt voller Hoffnung in die neue Zukunft. Sie will einfach nur weg aus dem zerbombten Deutschland. In der Sowjetunion beginnt sie verbotenerweise ein Tagebuch über das Leben dort zu führen. Jahrzehnte später erhält Simone Trieder von ihrer Mutter, Ida, genau dieses Tagebuch. Basierend auf den Aufzeichnungen ihrer Mutter erzählt die Autorin die beinahe vergessene Geschichte tausender Russlandkinder. Ergänzt wird der Roman durch die Gespräche, die sie mit Zeitzeugen geführt hat. Das Buch ist im Mitteldeutschen Verlag erschienen.
Reiseerlebnisse in Sarajevo (Erzählung)
Die Zeit ihres Stipendiums in
Ahrenshoop nutzte die Autorin, um Reiseerlebnisse zu verarbeiten. Nach einem
Poesiefestival in Sarajevo entstand so eine kleine literarische Studie, die ein
besonderes Gespür für Sprache erkennen lässt. Erzählt wird die Geschichte des
Fotografen Graf, der aus Entscheidungsschwierigkeiten heraus, beständig den
Auslöser seiner Kamera drückt. Dialogische Passagen wechseln sich mit
beschreibenden Textabschnitten ab und lassen die besonderen Facetten der Hauptfigur
auf besondere Weise hervortreten.
Darüber hinaus entdeckte die
Autorin während ihres Stipendiums die Form kleiner lyrischer Texte für sich. In
ihnen sind die Erlebnisse der Zeit in Ahrenshoop eingeflochten: die
Spaziergänge am Strand, das Drachensteigen lassen, die Gewitter über dem Meer.
Wo wir nicht sind
Während ihres
Arbeitsstipendiums setzte die Autorin die Arbeit an ihrem Roman
fort, der in seiner ersten Fassung „Chrzanszcz“ hieß. Im Mittelpunkt des Romans steht die deutsch-polnische
Geschichte, die anhand einer Familiengeschichte erzählt wird. Die Autorin nimmt
sich der problematischen Vergangenheit beider Länder an und verknüpft auf ihre Weise
die schwierigen Facetten beider Seiten. Die Ambivalenz in der Beziehung zwischen
Deutschland und Polen wird dabei auf die Spannungen zwischen Menschen mit
unterschiedlichen Charakteren projiziert. Mit ungewöhnlichen Bildern und einem
Gespür für landschaftliche Details wird die mitunter unfassbare Historizität im
Text plastisch und erlebbar.
Erste Ergebnisse des
Arbeitsstipendiums präsentierte die Autorin im Januar 2011 während einer Lesung
in der Reihe “Salon Solang” in Halle (Saale).
1959 in Quedlinburg geboren |
Studium der Sonderpädagogik in Rostock | ab 1980 Regieassistentin an den
Theatern in Zwickau, Karl-Marx-Stadt und Halle | seit 1992 als Autorin tätig | 2004
Stipendium der Stiftung Kulturfonds und Stipendiatin des Baltic Centre for
writers and translaters in Visby, Libretto für die Kantate „Barcode Zukunft“ |
2005 Stadtschreiberin von Halle, Landesvorsitzende des Verbandes deutscher
Schriftsteller Sachsen-Anhalt, Mitglied des Literaturrates Sachsen-Anhalt |
seit 2006 Redaktion der Mitteldeutschen kulturhistorischen Hefte und Autorin
einzelner Ausgaben, Mitinitiatorin der Leseaktion „Leander lesen!“ zum 1200
Jahre Stadtjubiläum Halle | 2008 Stipendiatin Künstlerhaus
Lukas Ahrenshoop | 2010 heim / das temporäre Haus mit Franca Bartholomäi,
Max Baumann und Marie-Luise Meyer in Ahrenshoop | 2014 Projekt Fisch&Kunst Ahrenshoop | seit 2015 PEN-Mitglied | seit 2019 im Präsidium des PEN | lebt und arbeitet in Halle (Saale)