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Sarah Deibele

Grafikerin

Arbeitsstipendium
Juli – Dezember 2023

realexistierende Landschaften (Zeichnungen)

Das Buch „realexistierende Landschaften“, ein Gemeinschaftsprojekt der Grafikerin Sarah Deibele und des Schriftstellers Michael Spyra, vereint impressionistische Landschaftsgedichte und Zeichnungen. Thema sind Orte in Sachsen-Anhalt – nicht die stark touristisch geprägten, sondern gewöhnliche. Manchmal reisten beide gemeinsam, manchmal einzeln zu halbvergessenen Flecken – Flüsse, Äcker, Dörfer, Seen und Wälder. Bei der Bild- bzw. Textfindung inspirierten sie sich gegenseitig: So spürte Sarah Deibele in Michael Spyras Worten den Ort auf oder der Schriftsteller beschrieb eine Landschaft, die er nur durch ihre Zeichnungen kannte. Am Schreibtisch bzw. im Atelier setzten sie die Eindrücke von den Ausflügen um, arbeiteten parallel an ihren inneren Spiegelungen der Landschaften.
Durch die Wirkmächtigkeit der Natur fühlte sich Sarah Deibele direkt vor Ort beim Zeichnen gehemmt, so dass ihre Arbeiten größtenteils im Atelier entstanden. Dabei stellte sich ihr die Frage: Ist es sinnvoll, die Zeichnungen in einem Buch zu reproduzieren? Was gewinnen, was verlieren sie, wenn nicht das Unikat im Mittelpunkt der Absicht steht? Ihr kam die Idee, verschiedene Zustände ihrer Zeichnungen festzuhalten, scannte die Blätter, zeichnete weiter, scannte sie und so fort. So können im Buch alle Zwischenzustände sichtbar gemacht und genutzt werden, um die Landschaft als Abfolge zu erzählen. Dieser Ablauf bestimmte schließlich von vornherein ihre Arbeit: Wie leer soll das Blatt beim ersten Zustand sein, was ist ein gültiger, der dennoch nicht fertig ist? Was erzählt der Ablauf? Wetterwechsel? Jahreszeiten? Wie viele Schichten sollen übereinandergelegt werden? Soll nur ergänzt oder auch weggenommen werden? Seit sie so arbeitete, begann sie ihre Zeichnungen vor Ort bei den Ausflügen, arbeitete sie im Atelier aus dem Gedächtnis weiter. So verband sie ihre gewohnte mit der neuen Arbeitsweise, z. B. bei dem Motiv zu „Entlang der Weide“.
Aber sie ging auch einen anderen Weg, z. B. zeichnete sie zu dem Gedicht „Der Hirtenstab“ ein Blatt, setzte die Überarbeitung aber nicht auf diesem Papier fort, sondern begann ein neues Blatt, experimentierte, wie genau sie das erste Blatt abzeichnen möchte und setzte dann das Motiv fort. So entstand eine Reihe. Bei weiteren Versuchen erschloss sich ihr die Antwort auf die Frage: Was ist möglich, wenn Original und Abbildung im Buch weder in Größe noch im Seitenverhältnis deckungsgleich sind, ohne dass die Zeichnung verliert? Sie erzählte die Motivabfolge als Ausschnitte ein und derselben Zeichnung, zoomte in die dargestellte Landschaft hinein, „spazierte“ so darin weiter. Dies war z. B. bei „Die Hunderunde“ der entscheidende Ansatz. Entstanden ist ein umfangreicher Dummy für das gemeinsame Kunstbuch. Das größte Kapitel sammelt Paare aus Zeichnungen und Text. In weiteren stehen Zeichnungen bzw. Gedichte für sich. Das Stipendium hat schließlich auch die Arbeitsweise Sarah Deibeles bei Druckgrafiken beeinflusst: Im Digitalen entdeckte sie ihren Wunsch, den Prozess des Zeichnens einzufangen und als Erzählung zu nutzen. Auch in der Druckgrafik überführte sie dieses Prozesshafte ins Analoge: bearbeitete die Druckplatte, druckte ein gültiges Blatt, überarbeitete sie erneut, druckte und so fort. Sie variierte außerdem Papierfarbe, Druckfarbe, kombinierte die Tiefdrucktechnik à la poupée und Chine-collé, mit der auf besonders feine Papiere gedruckt wird. Das Ergebnis ist eine Unikatdruckserie von Radierungen.
Arbeitsstipendium
Sebtember 2018 – Februar 2019

Vom Abbild zur Abstraktion, von Papier zu Emaille

Die Grafikerin mit dem Schwerpunkt Bleistiftzeichnung und Radierung arbeitet seit Jahren hauptsächlich auf Papier. Während ihres Stipendiums hat sie sich in ein neues Medium eingearbeitet: Industrie-Emaille auf Stahlblech. In diesem Sinne versteht sich das Projekt als weiterer Schritt auf der Suche nach dem eigenen zeichnerischen Ausdruck durch den Einfluss einer neuen Technik, neuer Formate und neuer Materialien. Wie bei der Papierzeichnung zeichnete die Künstlerin im Stehen; die Platte lehnte an der Wand. Durch den ungewohnten Widerstand der Oberfläche und das unübliche Zeichenwerkzeug (Zahnstocher, Ast, stumpfer Pinsel, Stricknadel) veränderte sich ihr zeichnerischer Duktus. Die Serie „Der Pianist und das Meer, aus flachen Rechtecken im Format 60 x 70 cm, in der sich Abstraktion und Gegenständlichkeit sich in den Motiven lustvoll abwechseln, entstand zu dem Buch „Novecento“ von Alessandro Baricco. Zu der Geschichte arbeitete Sarah Deibele parallel auch in der Radierung. Hier war eine formale Einflussnahme durch die Emaille zu sehen: die Künstlerin gewann den Pinselstrich, die Pinselzeichnung als neuen Duktus. Der Pinsel als grafisches, nicht als malerisches Werkzeug - In der Emaille lassen sich mit dem Pinsel im Pulver parallel verlaufende Linien freilegen. In der Radierung kann mit dem Pinsel die freie Ätzung, die Pinselätzung vorgenommen werden.

Arbeitsstipendium
Mai 2015 Oktober 2015

Gezeichnete Erzählungen und erzählte Bilder

Die feinen Bleistiftzeichnungen von Sarah Deibele erinnern an kurze Erzählungen, die mit einprägsamen Details ganze Geschichten entfalten. Während ihres Arbeitsstipendiums hat sie ihre Bilder nun um tatsächliche Textfassungen erweitert und sich damit auf die Suche nach einer eigenen poetischen Sprache gemacht. Im Mittelpunkt ihrer Auseinandersetzung standen dabei alltägliche Orte, die durch den Menschen geprägt und erst durch seine Anwesenheit definiert sind, aber auch Orte, die ihre eigene Persönlichkeit besitzen, ungeachtet menschlicher Aufmerksamkeit. Das Haus, der Stadtpark, der Hinterhof, das Versteck lauten schließlich auch die Titel einiger Arbeiten. Die begleitenden Texte erinnern in ihrer reduzierten Sprache an Gedichte ohne Reimschema, die der Zeichnung eine Richtung geben. Doch die Fantasie des Betrachters ist dennoch gefragt: Bewusst handelt es sich nicht um Beschreibungen des Gesehenen, vielmehr entfalten die Worte ihre eigene künstlerische Form, die nur einen Assozialtionsraum öffnet. Inspiration holte sich die Künstlerin dafür bei den Erzählungen und Gedichten Herta Müllers und Marion Poschmanns und deren bildhafter, eindringlicher Sprache.
Sarah Deibele arbeitet ohne Vorzeichnung und Vorlage. Einflüsse aus der Druckgrafik treten in ihren Zeichnungen ebenso hervor, wie ein bewusstes Spiel mit gegensätzlichen Stricheigenschaften (klar, unscharf, breit, schmal). Ihre Werke zeichnen sich daher durch einen großen Kontrastumfang aus. Ebenso wie in den begleitenden Texten ist auch in den Bildern die Frage nach dem Format relevant: Größe und Maß erlauben der gezeichneten Erzählung mal mehr, mal weniger Raum zur Entfaltung.

Vita
1988 in Wismar geboren | 2007–2012 Studium freie Grafik an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle | 2010 Wilhelm-und-Lotte-Neufeld-Stipendium | 2012 Diplom der Bildenden Kunst und Anerkennungspreis des Kunstpreises der Stiftung der Saalesparkasse (Katalog) | 2014 Graduiertenstipendium der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle | 2017 Otto-Ditscher-Förderpreis für Buchillustration | Ausstellungen u. a. in Halle, Berlin, Leipzig, Karlsruhe, Wien, Düsseldorf | lebt und arbeitet als freischaffende Künstlerin in Halle (Saale) Stand: 2024