Jahrbuch
Bestimmte Fotos lassen sich wie eine Schablone auf das Leben vieler Menschen legen – Gruppenfotos der Familie, Klassenfotos, Hochzeitsfotos, Fotos von spielenden Kindern. Das sind Bilder von Einzelnen, doch gleichzeitig kehren sie im Leben eines jeden wieder. Sieht sich nicht jeder Mensch ein Leben lang immer wieder mit ähnlichen Situationen und Zuständen konfrontiert? Wiederholt sich für ein Individuum nicht alles in einem ewigen Kreislauf mit wechselnden Unbekannten?
Undine Bandelin erstellte im Rahmen ihres Arbeitsstipendiums ihren persönlichen Almanach. In 13 großformatigen Arbeiten und einer Grafikserie, die 40 Blätter umfasst, zeigt sie scheinbar alltägliche Szenen, die sie zum Teil bis zur Unkenntlichkeit verfremdet. Bei den Übermalungen der Siebdruckvorlagen auf der Leinwand oder dem Papier war die Transformation, das Schaffen von neuen Sinnzusammenhängen bewusste Methode und gedanklicher Hintergrund. Elemente wurden übertrieben, hinzugedichtet, das Motiv maskiert, demaskiert oder total ausgelöscht. Mit dem Aufschlagen eines Jahrbuches kommt man mittels der Bilder durch eine schmale Tür in die Vergangenheit, in eine Tür zur Erinnerung. Ein Foto ist deshalb nur ein Auslöser – dahinter kommt die Erlebniswelt –, ein großer Strom wahrgenommener Bilder, Ahnungen, Energien. Doch mit welchen Einfärbungen sehen wir unsere Vergangenheit? Im blendenden Licht? In schön gemalten Seiten? Undine Bandelins Bilder reflektieren, in welchen Abrissen wir durch die Wirklichkeit laufen, und hinterfragen, wie real jenes tatsächlich ist, womit wir tagtäglich bedenkenlosen Umgang haben.