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ApocalyptiCAT

Interview mit Franca Bartholomäi

Die Künstlerin Franca Bartholomäi über ihre Vorbilder, ihre Verehrung für Katzen und ihre Ausstellung „ApocalyptiCAT“ in der Kunststiftung Sachsen-Anhalt:

Als Stipendiatin der ersten Stunde wurde Franca Bartholomäi als herausragende Künstlerin seit dem Bestehen der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt mehrfach gefördert. Unter anderem erhielt sie für ihr Vorhaben \Allegorien Null Elf\ ein Aufenthaltsstipendium im Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf, dessen Ergebnisse 2011 im Rahmen der Ausstellung \Von hier aus\ in den Räumen der Kunststiftung präsentiert wurden. Während der Zeit ihres Internationalen Arbeitsstipendiums in New York, in der sie am International Studio and Curatorial Program (ISCP) teilnahm, entstand der Holzschnittzyklus „Stilles Volk“, welcher sich heute in der renommierten Kunstsammlung des Bundestages in Berlin befindet. Im Jahr 2009 gewann Franca Bartholomäi den von Landeskunststiftung ausgelobten Wettbewerb zur Neugestaltung des Katharinenaltars im Dom zu Magdeburg.

Manon Bursian, Direktorin der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt, sprach mit der 1975 in Hohenmölsen geborenen Künstlerin über ihren künstlerischen Werdegang.


Was war deine erste Begegnung mit dem Thema Holzschnitt?

Die wirklich allererste Begegnung: Zu DDR-Zeiten gab es die Kinderzeitschrift „FRÖSI“, der hin und wieder Sammelblätter mit einem Kunstwerk beilagen. Davon hatte mein Vater eine ganze Mappe, die er mit mir manchmal durchsah. U.a. waren da Dürers „Apokalyptischen Reiter“ dabei, und ich fragte mich als Kind, ob die Bezeichnung Holzschnitt nicht vielleicht ein Druckfehler sei, denn etwas so Feines, Zartes könne man doch unmöglich in Holz schneiden…

Als ich Mitte der 90er Jahre begann Kunst zu studieren, wusste ich noch nicht, in welche Richtung es gehen soll. Ich habe Verschiedenes probiert: Malerei, Zeichnung, Objekt… Ich habe im „Glas“ angefangen, also in einem relativ offenen Fachbereich. Aber ich war nie so richtig zufrieden bzw. hatte nie das Gefühl, mich wirklich ausdrücken zu können.

Im ersten Studienjahr machte ich dann – eigentlich im Rahmen des normalen Unterrichtsprogramms – zum ersten Mal einen Holzschnitt. In ein Küchenbrettchen. Das hat auf Anhieb geklappt. Ich wusste sofort: Das ist es! Der Wechsel in die Grafik-Klasse folgte bald. Seither habe ich kaum andere Techniken gemacht.

Gab es für dich Mentoren oder konkrete Vorbilder?

Vorbilder im eigentlichen Sinne nicht. Ich wollte immer etwas ganz Eigenes machen. Aber die Kunst des Mittelalters hat mich schon immer fasziniert: deren Umgang mit der Figur und dem Raum, dieses „rohe“, komprimierte Sehen, also ohne Kamera, ohne Beamer. Gebaute Welten, allein aus der Beobachtung und der Vorstellung heraus. Die Fülle an Details, an Querverweisen, an Symbolen. Ferner waren auch die Expressionisten für mich nicht ganz unwichtig. Ich mag die schroffen Formen, die harten Kontraste.

Nicht selten sind es aber auch Bilderzeugnisse der Pop- und Alltagskultur, die mich berühren, also Comics, Street-Art und dergleichen – ohne Fan zu sein oder irgendeiner Szene anzugehören.

Das soll aber nicht heißen, dass meine „Burg“-Lehrer und -Professoren nicht wichtig waren für mich. Doch es war weniger ihr Werk, dass mich beeinflusst hat, als vielmehr die Gespräche über Kunst und über „Gott und die Welt“. Besonders hervorheben möchte ich hier Annette Krisper, Thomas Rug und Timm Kregel.


Welche Rolle spielt das Handwerkliche für dich im Holz- und Papierschnitt?

Ich mag das Material Holz. Es setzt mir einen gewissen Widerstand entgegen und zwingt mich damit zur Langsamkeit, und gerade das ist es, was ich so schätze. Die Langsamkeit schenkt mir Zeit: Zeit zum Nachdenken, zum Reflektieren, Assoziieren, Träumen… Nur so kann diese Dichte und Vielschichtigkeit entstehen, die ich anstrebe. Es hat etwas Meditatives, stundenlang über einer schwarzen Holzplatte zu sitzen und mit dem Skalpell bzw. mit dem kleinsten Hohleisen winzige Schnitte zu machen.

Der Papierschnitt hat sich bei mir aus dem Holzschnitt entwickelt, und diese Nähe soll auch stets sichtbar bleiben. Er ermöglicht es mir, mit meinen Figuren das begrenzende Geviert der Druckplatte zu verlassen und die Wand, den Raum zu erobern.


Was hat sich für dich in den letzten Jahren verändert, wie würdest Du deine künstlerische Entwicklung beschreiben?
 

Das ist eine schwierige Frage, denn ich bin viel zu nah dran. Ich war – bzw. bin – tendenziell immer unzufrieden, weil ich immer die Möglichkeiten sehe, die in einer Idee stecken, und die fertige Arbeit ist immer nur ein winziger Ausschnitt dessen, nur ein matter Abglanz. Erst in der Rückschau über einen größeren Zeitraum begreife ich ein wenig, dass ich viel geschafft, viel erreicht habe.

Es gibt so unglaublich viele gute Künstler, auch Grafiker bzw. Holzschneider. Viele sind erfolgreicher als ich. Viele nicht. Mein kleines Plus ist, dass ich von Natur aus sehr eigen bin, ich muss mir das nicht erst schaffen. Klar, nicht immer ist das ein Vorteil. Manchmal verstört das eher, wenn man etwas nicht einordnen kann. Aber meine Arbeiten wird man immer wiedererkennen.

Druckgrafik an sich hat es nicht leicht am Kunstmarkt. Ihr haftet(e) irgendwie der Ruf des Altbackenen an: „Kunst für Arme“, also tendenziell kleineres Format, oft nur Schwarzweiß und dann keine „richtigen“ Originale, bloß Abzüge…

Komischerweise trifft das gleiche auch auf Fotografie zu, doch da funktioniert es, ohne Frage. Aber ich glaube, es dauert nicht mehr lange, bis sich die Druckgrafik zu einer ebenbürtigen Technik mausert. Entsprechende Tendenzen gibt es bereits. Schaut man sich die Kataloge einschlägiger Grafik- bzw. Holzschnitt-Ausstellungen an -, hat sich in den letzten paar Jahren viel getan. Das Niveau ist extrem gestiegen.

Nachdem die sogenannten Neuen Medien nicht mehr neu sind und das Wiederaufflammen der einst längst totgeglaubten Malerei „durch“ ist, ist eine bevorstehende Fokussierung auf Druckgrafik und Zeichnung eigentlich absehbar.


Welche Rolle spielen Katzen?

Ich bin bekennende Tiernärrin. Tieren ziehen unweigerlich meine Blicke an. Und meine Sympathie. Vor allem Katzen haben es mir angetan. Ich habe selbst zwei Kater. Der eine hat für den Holzschnitt MIDI Modell gestanden bzw. gesessen. Die beiden leisten mir immer Gesellschaft bei der Arbeit. Nicht selten sitzen sie direkt mit auf der Holzplatte und schauen mit unergründlichem Lächeln zu, was ich gerade treibe. Mag sein, dass es ihr augenscheinlicher Kontakt zu Sphären ist, der uns als Menschen verschlossen bleibt, der mich so fasziniert…


Und warum der Ausstellungstitel „ApocalyptiCAT“?
 

Apokalypse heißt ja nichts anderes als Offenbarung. Und Offenbarungen sind auch meine Werke in gewisser Hinsicht. Nur weil die biblische Apokalypse, die Offenbarung des Johannes, das Ende der Welt, wie wir sie kennen, beschreibt, hat sich die Bedeutung im allgemeinen Sprachgebrauch hinsichtlich eines radikalen Untergangs verschoben.

Die biblische Apokalypse wurde schon oft illustriert in der Geschichte der Kunst, und kaum ein anderes Thema hat sich so gut geeignet, die Missstände der entsprechenden Epoche und ihre Urheber an den Pranger zu stellen. Jede Zeit begriff bzw. begreift sich als Endzeit. Doch heute sind klare Schuldzuweisungen nicht mehr so leicht möglich – oder besser gesagt, wir misstrauen einer solchen Klarheit. Deshalb funktioniert die Annäherung an das Thema Apokalypse nur auf einer sehr persönlichen, individuellen Ebene, glaube ich. Alles andere wäre Propaganda oder Politsatire – eine Einschränkung, die der Größe und Komplexität der Sache nicht gerecht werden würde.

Letztlich verkehrt sich der Begriff Offenbarung bei dieser Herangehensweise fast schon wieder in sein Gegenteil. Denn das, was offenbart wird, weiß man nur für sich selbst, und darin ist es gefangen, verschlossen. Man kann es nicht Eins zu Eins mitteilen. Jeder muss es selbst erfahren.

So auch meine Grafiken. Sie locken ja regelrecht: „Entschlüssele mich…“ Aber ich kann nicht sagen, sie bedeuten dies oder das, oder damit habe ich jenes gemeint. Darin steckt ein ganzes Geflecht an Bedeutungen, in das der Betrachter einfach eintauchen sollte. Es gibt nicht die eine, einzig richtige Lesart. Für jeden steht vielleicht etwas anderes drin. – Die Offenbarung des Johannes fasziniert ja nicht zuletzt deshalb schon über Jahrhunderte weg, weil der Text so konkret und so offen zugleich ist, so unendlich vieldeutig.

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Die Ausstellung \ApocalyptiCAT. Franca Bartholomäi – Holz und Scherenschnitte\ kann noch bis zum 11. Mai 2014 in den Ausstellungsräumen der Landeskunststiftung immer mittwochs bis sonntags (über die Osterfeiertage auch Ostermontag) von 14 – 18 Uhr besichtigt werden.

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