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Junge Römerin – Heike Becker: Brautkleider

Heike Becker: Brautkleider

Für manche sind sie schwulstig und unmodern, für viele aber immer noch wesentlicher Bestandteil des Hochzeitrituals: Brautkleider. Sie sind für Frauen und Männer immer ein Blickfang. Nicht nur, weil das „Prinzessinnenkleid“ als etwas Urweibliches empfunden wird, sondern weil diese Art Kleid immer auch ein prägnantes Identifikationsmodell ist. Eine Braut möchte an ihrem schönsten Tag im Leben nicht nur die Schönste sein, sondern zugleich unverwechselbar und einmalig.

Auf der anderen Seite hat das „Große Weiße“, wie Heike Becker es nennt, einen uniformierenden Charakter. Der Anlass, aus dem es einzig getragen wird, ist stets der Gleiche. Und es ist fast immer weiß und lang und macht sich damit – und die Trägerin – mit allen anderen vergleichbar. Dabei ist die Farbe weiß natürlich variabel, es gibt sie in Hunderten verschiedenen Nuancen, und auch „lang“ ist variantenreich. Durch den Verzicht auf Farbe konzentriert sich die Aufmerksamkeit des Betrachters zwangsläufig auf Form, Silhouette und Proportion. Hinzu kommen die Wahl des Materials und sein Einsatz sowie die Dosierung von Details. Die Art der Verarbeitung ist eine weitere Gestaltungsebene, die dem Einzelstück seinen Charakter verleiht.

Heike Becker hat eine Kollektion an Kleidern geschaffen, die trotz ihrer Uniformität individuell markant sind und modern wirken, ohne den zeremoniellen Hintergrund zu vernachlässigen. Der Variantenreichtum des Ausdrucks innerhalb des klar begrenzten Rahmens und das augenscheinlich Kitschig-Mädchenhafte sind die beiden Aspekte, die die Designerin bei der Gestaltung besonders interessiert haben. Sie reizten vor allem die Facetten jenseits der vielgesehenen, tortenartigen Korsagen-Ensembles. Was aber nicht bedeutet, dass ihre Kleider nicht wuchtig, opulent oder ausufernd sein dürfen.

Ihr gerüschtes Brautkleid besteht aus einem Unterkleid aus Softmesh; dieses Material wird häufig als Futter für Sportjacken oder -hosen verwendet. Darauf drapierte heike Becker dann gerafften und gerüschten Tüll. Die Fäden wollte sie nicht abschneiden, sie entstehen beim Raffen und Aufnähen. So bleibt in ihren Augen die Poesie des Unfertigen, Unvollkommenen erhalten und damit indirekt die Behauptung von etwas „noch Größerem“.

Das Oberteil des Zweiteilers ist aus Spitze, auch gefüttert mit Mesh. Der Rockbund ist aus Neopren, auf den die Künstlerin etwa 50 laufende Meter gerafften Tüll in mehreren Stufen aufgenäht hat. Die Säume sind unterschiedlich lang und erzählen so von dieser Schichtung. Der Rock wird lediglich am Bund verschlossen und ist sonst von oben nach unten offen, wie ein viel zu langer Schlitz– eigentlich etwas frivol, aber so viel Tüll gibt den Blick nicht frei auf Popo und Beine.

 

Die Brautkleider von Heike Becker trägt eine junge Frau, röm. Marmorkopie nach Original des 4. Jh. v. Chr., Vatikanische Museen (Gipsabguss)

Über der Stirn des eindrucksvollen Kopfes türmt sich eine weibliche Frisur, wie wir sie von Skulpturen der Aphrodite kennen. Das Haar ist leger in zwei breiten Zöpfen über dem Kopf geknotet. Der sinnliche Ausdruck wird durch den halb geöffneten Mund, aber auch durch die pathetische Wendung des Kopfes betont.

Der „Kopf einer jungen Frau“ kommt so arglos daher, hat es aber tatsächlich in sich. Denn antike Porträt-Köpfe sind nicht bloße Abbildungen einer Person, sondern sie enthalten viele Details und Hinweise, die auf Ort, Zeit, Stand, Status, Zugehörigkeit, Geschmack und Moden verweisen oder gar ganze Geschichten erzählen, sofern man den Code lesen kann.

Zunächst einmal wurden auch in der Antike vor allem Personen des öffentlichen Lebens porträtiert. Allen voran natürlich die Regenten, aber auch Gottheiten, Dichter und Denker sowie später auch deren weibliche Pendants. Machen bei manchen Porträts Inschriften die Deutung des Abgebildeten leicht, so bedarf es beim Fehlen selbiger anderer Indikatoren zur Identifikation. Die sogenannten Attribute sind ein wichtiges Indiz, seien es bestimmte Kleidung, Schmuck oder auch andere Accessoires. Nun ist diese Form von Gestaltungsmittel bei reduzierter Darstellungsform, wie etwa einer Büste, leider nur schwer unterzubringen. Somit wurde das entscheidende Mittel zum Ausdruck die Haarpracht. Und in der Tat herrschte nicht nur im antiken römischen Reich ein wahrer Frisurenkult rund um Looks und Stylings.

So mussten beispielsweise Frauen im antiken Griechenland, die in der Öffentlichkeit eine unordentliche Frisur trugen, Geldstrafen zahlen. Aber es scheint vor allem auch der Gefallen an immer neuen Erscheinungsformen gewesen zu sein, der einen regelrechten Boom an schmückendem Haarzubehör hervorrief. „Von raffinierten Frisuren werden wir (die Männer) betört; kein Haar sei kunstlos gelegt“, wusste der Dichter Ovid zu berichten und lieferte in seiner „Ars amatoria“ gleich auch noch wertvolle Hinweise in Sachen Typberatung: „Ein rundes Gesicht verlangt, dass ein niedriger Knoten über der Stirn bleibt, so dass man die Ohren noch sieht.“

Wenngleich die Herren zunehmend zu Kurzhaarmoden übergingen, so waren Haare und deren Frisur auch in der Männerwelt ein wichtiges Thema, der Verlust der Pracht kam einem Weltuntergang gleich. Damals wie heute kann dies jedoch jeden treffen, und so blieben davon auch Prominente nicht verschont; sehr zu seinem Leidwesen soll auch Kaiser Ceaser unter Haarausfall gelitten haben, den er durch geschicktes Legen des spärlichen Restes zu kaschieren versuchte.

Trendsetter in Sachen Frisurenmoden war im römischen Reich das Kaiserhaus.  Und das wollte es zunehmend pompöser! Ein regelrechter Wettstreit in der Kunst des Haartoupierens brach aus –  ob gelockt oder geglättet oder hochgesteckt, der Fantasie schien keine Grenze gesetzt. Ebenso bei der Wahl des Färbens, Bleichens bis hin zum Parfümieren.

Was nun unsere junge Römerin anbelangt, so zeigt diese sich mit einer Frisur, die nicht dem Kaiserhaus, sondern vielmehr der Götterwelt entlehnt ist. Sie zeichnet sich durch gescheitelte Locken aus, die seitlich nach hinten geführt sind und in einem schleifenähnlichen Haarknoten auf dem Kopf enden. Auch die feinen Haarsträhnen, die bis auf die Schultern herabfallen, sind charakteristisch für diesen Frisurentyp. In der Götterwelt war diese markante Haartracht den Schönsten der Göttlichen vorbehalten, Apollon und Aphrodite. Schön, unisex und unverkennbar zugleich, werden die beiden zu Markenbotschaftern dieses markanten und raffinierten Stylings.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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7. April 2020

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Brautkleid von Heike Becker

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