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Michal Fuchs

Bildhauerin

Arbeitsstipendium Oktober 2021 – März 2022

Drei Projekte

Ausgangspunkt der Bewerbung der Künstlerin war es, sich mit den Anfängen des israelischen Staates und dessen Bezug zu ihrer eigenen Migrationserfahrung auseinanderzusetzen. In Israel wollte sie intensiv zur Unabhängigkeitserklärung recherchieren und Aspekte finden, mit denen sie arbeiten kann. In der Zeit des Stipendiums hatte die Künstlerin ein Atelier an einem sehr besonderen Ort in Jerusalem. Dieser Ort heißt Ein Yael und liegt ganz nah an der grünen Grenze (der Demarkationslinie von 1949). 10 Minuten zu Fuß entfernt vom Atelier gibt es ein Tal, das zwischen dem palästinensischen Dorf al-Walaja und der israelischen Siedlung Gilo liegt. Diese Gegend und besonders dieses Tal mit dessen ungewöhnliche Stimmung sind ihr sehr aufgeladen. Zusätzlich zu seiner politischen Position, zwischen einer jüdischen Siedlung und einem arabischen Dorf, wird dieses Tal auch von illegalen palästinensischen Arbeitern als Weg benutzt, die aus Bethlehem und anderen Orten in der Westbank nach Israel kommen. Sie schleichen am Anfang der Woche zwischen den Bäumen durch das Tal, versuchen sich sowohl vor der Grenzpolizei als auch vor den Juden, die dort wandern, zu verstecken und kommen am Ende der Woche zurück. In der Zeit des Stipendiums hat die Künstlerin ein dreiteiliges Projekt entwickelt. “The Pine Tree Desert” / Bodeninstallation / Kiefernnadeln, Eisen, Laserschnitt ca. 230cm x 400cm Auf dem Boden liegt eine Art “Teppich” aus Kiefernnadeln. Die Nadeln für diese Arbeit stammen von einer Aleppo-Kiefer (“Ha El”). Durch die Nadeln halb verdeckt sind hebräische Buchstabenreihen aus Eisen zu sehen. Der Text ist der Unabhängigkeitserklärung Israels entnommen. Die ganze Arbeit muss für jede Ausstellung von Anfang an neu gebaut werden. Die Nadeln werden (nachdem sie je getrennt, gewaschen und getrocknet wurden) eine nach der anderen auf den Boden gelegt. Nach jeder Zeile aus Nadeln kommt auf die Nadeln eine Zeile des Textes. Die mit Laser aus geschnittenen Eisenbuchstaben funktionieren als eine Art Gewicht. Sie halten die obere Nadelzeile am Boden, während die untere Hälfte der Buchstaben von der nächsten Nadelzeile halb verdeckt wird. Zusammen bilden die Buchstaben und Nadeln eine Art Teppich, in den der Text wie eingewebt erscheint. Da aber nichts miteinander befestigt ist, bleibt die Arbeit sehr fragil und kann durch Wind oder eine falsche Bewegung leicht beeinträchtigt werden. “Drei Kiefern” / Wandinstallation / Kiefernnadeln / Durchmesser ca. 50-80cm Drei Kreise wurden aus den Nadeln drei verschiedener Kiefern geflochten: Der Pinie (Pinus pinea), die aus Europa nach Israel importiert wurde, der Aleppo-Kiefer, die im Mittelmeergebiet weit verbreitet und als einzige der drei in Israel heimisch ist (in diesem Fall spezifisch von dem Baum “Ha-El”) und der kanarischen Kiefer, die ebenfalls nach Israel importiert wurde und deren lange Nadeln zur Entwicklung einer traditionellen Flechttechnik geführt haben. Diese Art zu flechten ist in Israel verbreitet, aber nicht mit Kiefernadeln, sondern mit Weizen. Diese Tradition war bis in die 60er Jahre unter muslimischen, christlichen und Drusen- Frauen sehr verbreitet. Sie war untrennbar mit dem palästinensischen kulturellen Leben verbunden. Es wurden auf diese Weise Essensbretter und Brotbehältnisse hergestellt. Ohne Titel (work in progress) / Videoinstallation, zwei Videos à ca. 53 min, One Shot / Kamera: im Tal: Or Azulai, mit Multicopter: Yair Moss Die Arbeit thematisiert das Tal bei Yael, einen politisch aufgeladene Ort ist, aber gleichzeitig auch ein Ort schöner Natur. Dieser Konflikt wurde in einem 2 Kanal Video reflektiert Ein ca. 53-minütiger One Shot zeigt die Sicht aus der Perspektive eines gehenden Menschen. Die Kamera “läuft” von Bethlehem aus in dem Tal entlang, in einem sehr langsamen und kontinuierlichen Rhythmus. Die Kamera nimmt dabei nur die Natur auf. Die einzigen Spuren von Menschen, die man hier und da erkennen kann, sind ein paar Schrottteile auf dem Weg, weit entfernte Siedlungen und ein kleines Stück der Mauer. Das Video endet bei der großen Aleppo-Kiefer, die im Tal steht. - Das zweite Video ist eine Aufnahme von genau dem gleichen Weg, in diesem Fall aber von oben mit einem Multicopter gefilmt. Auch diese Aufnahme endet bei dem großen Aleppo-Kiefer. Das intensive Gefühl, das wegen der lokalen geopolitischen Sensitivität im Tal entsteht, hat die Künstlerin durch die “One Shot”- Methode versucht zu transportieren. Ein sehr langes Laufen, ohne Pause, durch ein sehr schönes, grünes Tal. Dieses Gefühl wollte sie verstärken, indem ein zweitesVideo den Blick von oben zeigt, wodurch eine Art Verfolgungsgefühl entsteht. Die zwei Videos sollten parallel auf zwei nah beieinander gelegene große Wände projiziert werden. Zu der Videoinstallation entwickelt der Musiker Hannes Lingens eine Tonspur. Diese setzt sich zusammen aus Aufnahmen, die an ausgewählten Orten im o.g. Tal gemacht wurden, sowie aus Sinustönen komponierten Klanginterventionen. Während das Bild immer in Bewegung bleibt, bleibt der Klang immer an einem Ort nach dem anderen. Die musikalischen Interventionen fungieren als Momente der Reflexion.
Vita
1983 in Haifa (Israel) geboren | 2005 – 2006 The Jerusalem Studio School, bei Amir Rubin | 2007 – 2009 Kunsthochschule „Nagger Multidiciplinary School of Art Musrara“, Jerusalem | 2014 – 2020 Studium Bildhauerei Metall an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle Bildhauerei Metall – Abschluss: Diplom | 2019 DAAD Stipendium und erster Preis beim Werner-Sylten-Preis der EKM sowie Förderpreis des Freundes- und Förderkreis der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle e. V. | lebt und arbeitet in Halle (Saale)