Zeichnung als Medium
In ihrer aktuellen Arbeit beschäftigt sich Dagmar Varady mit der Zeichnung als Medium und als Teil größerer Werkzusammenhänge oder einzelner Werkgruppen in ihrer künstlerischen Arbeit. Während des Arbeitsstipendiums, konnte sie dieses Phänomen weiter untersuchen. Neben Bleistiftzeichnungen entstanden weitere Arbeiten in der von ihr entwickelten Technik mit Emaillefarbe. Diese neuen Arbeiten bezeichnet sie als Emaillezeichnungen. Die neue Qualität der Bilder besteht in der Textur, die sich nach dem Auftragen entwickelt und mit Licht korrespondiert. Beide, Bleistiftzeichnung und Emaillezeichnung hat sie begonnen zu kombinieren, neu zusammenzusetzen. Zeichnen ist für die Künstlerin Ausdruck anhaltender Reflexion, beispielsweise über das Vergrößern und Verkleinern oder das Zerschneiden. Da sie oft mit Ausschnitten aus Bildzusammenhängen arbeitet bietet die Zeichnung die Möglichkeit einer Transformation und Entfremdung. Die Transformation lässt sich bis in den Raum, indem die Arbeiten entstehen, verfolgen. An der Wand hängt ein großes Rechteck aus Stoff. Das reliefartige Motiv wird von der Textur und Faltungen weiter verfremdet. Das Material ist dick genug, um Falten zu bilden. In den Bleistiftzeichnungen ist die reduzierte Darstellung als lineare Zeichnung eine andere Ausgangssituation, um in einem nächsten Schritt über das „Entsenden“ oder ein Senden und Empfangen nachdenken zu können. In neue Zusammenhänge gestellt, kann die Künstlerin einzelne Momente präziser erkunden. Zerschneiden und wieder Zusammensetzen – wie in der Auseinandersetzung mit Werken der Künstlerin Louise Bourgeoise beobachtet – ermöglicht Dagmar Varady neue Bildzusammenhänge zu erschaffen. Ein lebendiges Senden und Empfangen über Zeiten und Räume hinweg kann so entstehen. Die Transformation des Raumes selbst, als wäre er ein Stoff in „ihrem Medium“ ist von der Künstlerin beabsichtigt. Der Aspekt einer Manipulation des Raumes interessiert sie. Die im Zusammenhang mit der neuen Werkgruppe entstandenen Arbeiten zeigen als räumliche Anordnungen den Arbeitsprozess im Atelier als ein work in progress. Diese für ihre Arbeiten typische Herangehensweise und Arbeitsweise wird in Bildfolgen sichtbar.
Louise Bourgeois
Im
Frühjahr 2015 fotografierte Dagmar Varady in Stockholm während des Abbaus einer
der umfangreichsten Retrospektiven nach dem Tod von Louise Bourgeois eine
Werkgruppe der Künstlerin. Ihr Hauptinteresse lag dabei auf der Übergangsform
der Arbeiten - auf dem Moment des Abbaus und der Deinstallation: Ausschnitte,
Teile, einzelne Bestandteile der Skulpturen, Installationen in Gruppen oder im
Raum. Die Fotografien entstanden in dem Moment, in dem die gebildeten
Abteilungen einer exakt konzipierten Ausstellung obsolet wurden und offen waren
für etwas Neues - an einem anderen Ort und in anderen Konstellationen. Die
fotografischen Arbeiten versuchen eine Annäherung und Referenz an die
Künstlerin und ihre Arbeiten herzustellen. In einer umfangreichen Recherche zu
den Arbeiten von Louise Bourgeois und der Einholung von Genehmigungen,
Abstimmungen, Material- und Bildrecherchen, konnte die Künstlerin die
notwendigen Voraussetzungen für eine Weiterverwendung in einem Buchprojekt
erwirken. Der in einem Umfang von ca. 20 Fotografien gefasste, dokumentarische
und konzeptuelle Bilderfluss soll ausgewählte Situationen der üblichen
Demontage der Kunstobjekte von Louise Bourgeois zeigen und wird zudem von einem
englischsprachigen Essay ergänzt.
Reizen
Das Unbekannte, Irrationale und Unkontrollierbare – die
Beschreibung von Naturphänomenen geht oftmals über die Beobachtung des
vermeintlich Sichtbaren hinaus und nicht alle Fragen können mit wissenschaftlichen
Kategorien hinreichend beschrieben werden. In ihrem Experimentalfilm „Reizen“
beschäftigt sich Dagmar Varady mit dem Spannungsverhältnis von Natur und Seele
und den Möglichkeiten der Erkenntnis über intuitive Wahrnehmung. Die Idee zu
dem Video resultierte aus einer längeren Phase der Beschäftigung der Künstlerin
mit der Person Johann Christian Reil (1759-1813) und seinen unterschiedlichen
Denkansätzen als Mediziner der Gehirnanatomie einerseits und seinen
philosophischen Spekulationen über die menschliche Seele und die Grenzen des
Verstehens andererseits. Grundlage der filmischen Auseinandersetzung bilden
dessen „Rhapsodien“ - ein 500-seitiges
literarisches Werk, in dem Reil die Grade der geistigen Verwirrung analysiert.
Im Film werden Auszüge aus den Rhapsodien
in siebzehn Blöcke zusammengefasst und von der Schauspielerin Jutta Hoffmann vor
dem Hintergrund der Naturkulisse im Wörlitzer Park gesprochen. Die erste Szene
beginnt mit „Ohnmacht des Verstandes“ - eine Person verliert die Orientierung in einer sie
reizüberflutenden Umgebung. Gezeigt werden fragmentarische Eindrücke der Natur: vorbeifließende Bäume und Sträucher, ferne
und nahe Menschen, grelles Sonnenlicht. Licht und Dunkelheit, Schärfe und Unschärfe
wechseln sich ab und lösen Verwirrungszustände aus. Ein kontrastreicher Rhythmus. Nach Reil sind
es eben diese Reize, welche die Seele des Menschen in außergewöhnliche, sich an
der Grenze zu den logisch-kausalen Zusammenhängen in der Natur befindlichen Wahrnehmungszustände
versetzen. Die Grenzen zwischen
Natur und Seele verschwimmen, ein Geistesblitz eröffnet unerwartete Erkenntnisse.
1961 in Erfurt geboren | 1979
Naturwissenschaftliches Abitur mit Schwerpunkt in den Fächern Mathematik
und Physik in Ilmenau | 1980 – 1987 Studium an der Burg Giebichenstein,
Hochschule für Industrielle Formgestaltung Halle | 1987 Graduiert im
Industriedesign | 1992 – 1993 Stipendium Akademie Schloss Solitude
Stuttgart | 2000 – 2001 PointB Worklodge, Williamsburg, Brooklyn N.Y.C.,
U.S.A; Residenz Virginia Center fort the Creative Arts, U.S.A. | 2001
Gaststudium Medienkunst in der Klasse Intermedia, Hochschule für Grafik
und Buchkunst Leipzig | 2002 HAP-Grieshaber-Preis
der VG Bild-Kunst, Bonn | 2016 Gastaufenthalt in der Villa Romana, Florenz | Lehrtätigkeit
an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, der
Bauhaus-Universität Weimar, der Universität Dortmund, der Universität zu
Köln sowie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig | 2004 – 2010
Jury und Kuratoriumsmitglied der Stiftung Kunstfonds
Bonn | 2003 – 2007 Vizepräsidentin im Kultursenat des Landes
Sachsen-Anhalt | 2009 Gründungsmitglied
der SYN Stiftung Kunst Design Wissenschaft | lebt und arbeitet in Halle (Saale)
Kontakt
www.dagmarvarady.de