Bruder Johannes
Martin Luther – Johannes Tetzel: zwei der wichtigsten Gegenspieler
während der Reformation. Auf der einen Seite die radikale moralische
Instanz, auf der anderen der erfolgreiche Verführer, Verkäufer und
Moderator. In der Komödie wird die Verführbarkeit des Menschen durch die
Verheißung von Sicherheit und Glück geschildert in einer Zeit des
Epochenwechsels vom Mittelalter zur Neuzeit – einer Zeit der großen
Verunsicherungen, von Brüchen in zahlreichen Biographien. Ähnlich ist es
gegenwärtig in den westlichen Gesellschaften im Zeitalter von Hartz IV,
Globalisierung und Klimawandel. Stellt man Luther und Tetzel einander
aus heutiger Sicht gegenüber, ist wohl davon auszugehen, dass Tetzel in
einer Mediengesellschaft die wesentlich bessere Figur machen würde. Der
von ihm gebotene Ablass ist auch heute noch ein Verkaufsschlager. Wer
würde also gewählt: Der unbequeme Luther oder der bequeme Tetzel? Das
Stück setzt nicht auf vordergründige Aktualisierung – diesen Widerstreit
muss jeder in sich selbst austragen.
Abrahams Frauen
Der erfahrene Theaterautor Dirk Heidicke gehört zu denjenigen, die sich an die deutsche
Geschichte heranwagen. Mit „Abrahams Frauen“ rekonstruiert er Leben und Werk
des heute fast vergessenen jüdischen Komponisten Paul Abraham. Heidicke erstellte
in seinem Theaterstück eine bewegende Szenefolge, eingerahmt durch das Wiedersehen Abrahams mit seiner
Frau Sarolta im Jahr 1959. Dieser ist geistig verwirrt und zerrüttet mit anderen
jüdischen Emigranten in die Bundesrepublik eingereist. Über das Erleben von
Musik versucht Sarolta, ihrem Mann seine verdrängten Erinnerungen nahezubringen:
nach seiner Flucht aus Deutschland wurden Abraham 200 Kompositionen gestohlen,
welche später „arische“ Komponisten als ihre eigenen ausgaben. Die Erben dieser
Komponisten sollen bis heute Tantiemen für die gestohlenen Werke kassieren. Kann
unrechtmäßig Erworbenes geistiges Eigentum jemals rechtmäßig sein? Das Stück
von Heidicke über deutsche Vergangenheit knüpft damit an ein hochaktuelles Thema
der Gegenwart an.
1964 in Magdeburg geboren | allgemeine Oberschule | ab 1986 Beleuchter am Theater in
Magdeburg | seit 1989 zahlreiche Drehbücher, Filme, Theaterstücke und Hörspiele u. a. für den mdr,
das Theater Magdeburg, das Stadttheater Bern sowie das Anhaltische Theater Dessau | 1992 Förderpreis Kinderhörspieltage
Bensheim sowie Stipendium des Literarischen Colloquiums Berlin | 1993
Aufenthaltsstipendium in der Villa Casa Baldi, Olevano Romano/Italien sowie
1999 im Kunstverein Röderhof| 200 Drehbuchförderung MDM| 2002 Stipendium
Stiftung Kulturfonds | lebt und arbeit seit 1992 als freier Autor in Magdeburg
Publikationen (Auswahl)
Die Hand der Prinzessin, Komödie, 1989
Ganymed, Kinderhörspiel, DS-Kultur, 1992
Sisyphos, Stück, Frei Kammerspiele Magdeburg, 1993
Rauchzeichen, Kurzfilm, 2001
Beelze & Bub, Puppenspiel, 2003
Faust 89, Stück, Theater an der Grenze, 2009
Luise, Operettenlibretto, Mecklenburgisches
Landestheater, 2010
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