Die Vertreibung aus dem Paradies
Der Garten Eden spiegelt die Sehnsüchte des Menschen wider: Er ist
ein geschützter Raum, der perfekte Ort, der keinen Wunsch offen lässt. Dennoch
entscheidet sich der Mensch in der Bibel – trotz angedrohter Strafe – für die
Frucht vom Baum der Erkenntnis und damit für den freien Willen. Seine
Emanzipation bezahlt er mit der Vertreibung aus dem Paradies, dem Einbruch von Widersprüchen in sein einst
sorgenfreies Leben. Er durchlebt Krisen, die aber auch Chancen in sich bergen.
Tatiana Skalko-Karlovski, die sich seit langem mit dieser biblischen
Geschichte beschäftigt, thematisiert in ihren Arbeiten den gelobten Ort. So verschieden
wie die Mängel, die Menschen in ihrem Leben empfinden, so verschieden die Vorstellungen vom
Paradies. Wie sieht es also für die muslimische Frau aus (das Modell mit 99 Jungfrauen für Männer ist
bekannt), für Menschen aus armen, von Krieg und Korruption geplagten Ländern,
für Kommunisten, die an der
Umsetzung ihrer Gesellschaftsvision scheiterten, für Wissenschaftler, die immerwährende Jugend, den perfekten
Menschen propagieren? Alle sind auf der ewigen Suche nach dem perfekten Ort,
den es nicht gibt.
Zeitgenössische Ikone
Die Künstlerin hat an einer Serie von
großformatigen Ölbildern gearbeitet, die von der traditionellen Ikonenmalerei
inspiriert ist. Entstanden sind u. a. Diptychen zu biblischen Themen
(Verkündung, Eden, Der heilige Georgi), aber auch Madonnenbilder mit unkonventioneller
Bildkomposition (Rückenansicht). Dem Oklad, eine Art Beschlag bzw. getriebene
Verkleidung aus Metall, die bei Ikonen das die gemalten Partien umgebende
Umfeld bedeckt, hat sie dabei besonderes Augenmerk geschenkt. Die Körper der
dargestellten Personen sind oft nicht gemalt, sondern im Oklad als Treibarbeit
gestaltet. Tatiana Skalko-Kalovska
hat während ihres Stipendiums einen scherenschnittartigen, vergoldeten Oklad entwickelt,
der für jedes einzelne Bild der Reihe verwendet werden kann, aber auch als
selbständiges Objekt bestehen kann.
1970 in Kiew/Ukraine geboren | 1989–1992 Studium an der Kunst-Akademie Kiew, Fachbereich Grafikdesign | 1994–2004 Studium und Aufbaustudium an der Burg Giebichenstein – Hochschule für Kunst und Design Halle, Fachbereich Grafik | 1998 Ars Halensis | 1999 und 2001 Gaststudium an der Kunst-Akademie Tianjin/China | 2006 Arbeitsstipendium der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt |2010 Personalausstellung in der Galerie Stelzer und Zagelmeier in Halle (Saale) | 2012 Erster Preis des Brunnenwettbewerbs der Stiftung St. Cyriaci et Antonii, Halle | lebt als freischaffende Künstlerin in Halle (Saale)