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„Ort der Ideen“ 2007 für das Stipendiatenprogramm ARTIST IN LAB

Die Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt lädt ein zur Preisverleihung

am 3. September 2007
um 19.30 Uhr in der Moritzburg, 
Friedemann-Bach-Platz 5, Halle

 Anlässlich der Preisverleihung präsentieren die Stipendiaten 
Iris Kerlen, Friedemann Knappe, Maria Volokhova und Marie-Luise Meyer 
im Rahmen einer Ausstellung die Arbeitsergebnisse ihres Stipendiums.

Zur Preisverleihung sprechen: 
Prof. Jan-Hendrik Olbertz, Kultusminister des Landes Sachsen-Anhalt und Vorsitzender des Stiftungsrates der Kunststiftung, 
Prof. Dieter Katzer, Fraunhofer Institut Halle und 
Roland Sahr, Deutsche Bank. 

Es musizieren: Henry Mex  Kontrabass und Veronika Otto  Cello

ARTIST IN LAB – Ein Initiativprojekt der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt 

Jenseits der üblichen Grenzziehungen das Verhältnis von Kunst und Wissenschaft neu zu denken und zu gestalten, nach gleichen oder konträren Interessen zu fahnden, sind die Ziele des ARTIST IN LAB-Programms der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt. Die Gratwanderung zwischen Kunst und Wissenschaft, der „fremde Blick“ auf die jeweils andere Wissens- und Erkenntnisform, das unmittelbare Aufeinandertreffen verschiedener Denkstrukturen sollen neue Arten der Reflexion auf beiden Seiten anregen. Schon der Prozess der Annäherung und Interaktion kann zeigen, dass es wissenschaftlicher wie künstlerischer Forschung gerade auch um eines geht: das Erkennen, Begreifen und Darstellen der jeweiligen Wirklichkeit. Um die Prozesse des Dialogs in Gang zu setzen, begleiten vier Künstler drei Monate lang die Forschung in Instituten von Weltrang. Die Kommunikation und die Interaktion zwischen Kunstschaffenden und Wissenschaftlern sollen neue Ebenen der Kreativität erschließen – auf beiden Seiten. Mit Iris Kerlen und Friedemann Knappe haben zwei Künstler im Fraunhofer Institut für Werkstoffmechanik Halle ihren Arbeitsplatz eingenommen, die Künstlerin Maria Volokhova in der Klinik für Neurologie II in Magdeburg und dem Leibniz-Institut für Neurobiologie in Magdeburg und die Künstlerin Marie-Luise Meyer im Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben.

Das Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechnik Halle. 

Dieses Fraunhofer-Institut widmet sich in der anwendungsorientierten Forschung besonders Komponenten für die Mikrosystemtechnik sowie den Nanotechnologien, um zu erforschen wie sich Werkstoffe in Bauteilen verhalten und wie sie sich unter mechanischen, thermischen oder elektrischen Belastungen verändern. Dabei werden mithilfe hochleistungsfähiger optischer Messsysteme die interessierenden Daten experimentell erfasst. Iris Kerlen und Friedemann Knappe abeiteten drei Monate am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechnik in Halle. Beide Künstler haben ihre Chance genutzt und beim Blick durch die Elektronenmikroskope recht Unterschiedliches gesehen und zutage gefördert. 

IRIS KERLEN Textildesignerin
Iris Kerlen wollte bei ihrem Arbeitsaufenthalt herausfinden, welchen Zusammenhang es im Universum zwischen der Mikro- und Makroebene gibt. Sie ließ sich insbesondere durch den Blick in die Mikroskope der Werkstoffforscher inspirieren. Sie entwarf 2,50 Meter lange Textilbahnen, die mit einem Relief verschiedenfarbiger Linien bedruckt sind. Entstanden ist ein begehbares Objekt, in das der Betrachter einbezogen wird. Der Nicht-Materialwissenschaftler assoziiert Flussdelten, Sand auf Meeresgrund, Wolken, Geäst – ganz wie es die Künstlerin in den Mikroskopen gesehen hat. Mittels der Vertiefungen im Boden wird der Betrachter immer wieder auf neue Sichtebenen geführt. Durch die zarten Stoffbahnen kann Tageslicht fallen. Sie können sich beim leisesten Luftzug bewegen. Dann verschwindet plötzlich der Eindruck des starr Geordneten. Die Dinge scheinen wieder instabil und bereit sich erneut zu ordnen.

FRIEDEMANN KNAPPE Metallbildhauer 
Friedemann Knappe inspirierten beim Blick in Transmissions- und Rasterelektronenmikroskope vor allem die Betrachtung von Metalldrähten. Sie assoziierten ihm, derart vergrößert, Granitgestein mit seinen scheinbar chaotischen Einsprengseln. Dagegen erscheinen ihm kristalline Strukturen als wohlgeordnete, strikt parallele Streifen. Knappe dokumentierte diese Einblicke auf rechteckigen Aluminiumplatten. In einem Ätzbad brachte er Kreise und Streifen auf die Platten und legte sie gleich einem Puzzle zusammen. Dabei entstanden Quadrate, Streifen, Vielecke – metallene Universen, die die Formen der Mikrostrukturen aufnehmen können. Neben den Aluminiumplatten sind Drucke auf Papier zu sehen. Beim genaueren Hinsehen erkennt der Betrachter, dass der Künstler als Druckstöcke die Aluminiumplatten selbst benutzte. So entsteht ein eindrucksvoller Effekt: Spiegelt sich der Betrachter in den glatten Bereichen der Aluminiumplatten, bleibt das Papier an genau diesen Stellen weiß und unscheinbar – ein hintersinniges Spiel mit Positiv und Negativ, ein Wechsel zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem, das der Betrachter aufgreifen kann, um seine Position zu überprüfen. 
 

Die Klinik für Neurologie II an der Otto von Guericke Universität Magdeburg und das Leibniz-Institut für Neurobiologie Magdeburg. 

Beide Institute haben wesentlich Anteil an dem, was derzeit als der Paradigmenwechsel in der Neurowissenschaft benannt wird. Sie sind maßgeblich daran beteiligt, dass die Hirnforschung heute die neurophysiologischen Prozesse des Denkens, Fühlens, Wahrnehmens und Handels als Produkte des Gehirns durch Messungen nachprüfen kann. Auch diese renommierten Forschungseinrichtungen öffneten der Künstlerin Maria Volokhova aus Halle ihre Labore. 

MARIA VOLOKHOVA Grafikerin 
Sie interessierte bei ihrem Aufenthalt in den Laboren, wie Wahrnehmung funktioniert und stellte sich selbst als Studienobjekt in verschiedenen Tests zur Verfügung. Sie war fasziniert von den Abbildern des menschlichen Inneren, wie sie u. a. im Magnetresonanztomografen entstehen. Diese Abbilder übersetzte Volokhova in Formen, gesponnen aus feinen Strichen, die auf silbernen Gründen erscheinen. In einem ersten Prozess werden diese separat gedruckt, in einem zweiten gemeinsam mit den geätzten Linien der Radierungen. Die Linien verlieren dadurch – im Gegensatz zu Drucken auf weißem Papier – ihre Tiefe und Deutlichkeit. Die Grafiken wirken daher nicht mehr wie kühle Darstellungen wissenschaftlich gesicherter Innenansichten, sondern wie fremde, obskure Welten: Nervenfasern, Schnitte durch den Kopf, wie sie die bildgebenden Verfahren der Neurobiologen darstellen: Hände, Körper tauchen auf und werden miteinander teils auf geheimnisvolle Weise vernetzt. Andere Details assoziieren klar erkennbar einzelne Teile, ohne dass sich dem Betrachter das Ganze erschließt. Hier kann einer der gemeinsamen Schnittpunkte zwischen Wissenschaftler, Künstler und Betrachter liegen, denn noch immer wissen wir nicht viel über den Zusammenhang von Universum und Mensch und auch nicht viel über den Menschen als Universum. 

Das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben. 

Die Domestikation von Pflanzen steht an der Wiege der Zivilisation, nur durch erfolgreiche Pflanzenzüchtung war und ist eine ausreichende Ernährung der Menschheit zu sichern. Das Gaterslebener Leibniz-Institut erarbeitet neue Erkenntnisse über Struktur, Funktion und Evolution des Erbmaterials im Vorfeld der Pflanzenzüchtung und bemüht sich gleichzeitig um die Erhaltung, Erforschung und Erschließung der erblichen Vielfalt von Kulturpflanzen. Grundlage letzterer Arbeit ist eine der weltweit größten Lebendsammlungen von Kulturpflanzen (Genbank), die durch Archive mit Herbar- und Samenmaterial ergänzt wird.

MARIE-LUISE MEYER Keramikerin
Für die Keramikerin Marie-Luise Meyer standen die Türen des Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben drei Monate offen. Im Gespräch mit Wissenschaftlern und beim Blick durchs Mikroskop suchte sie Antworten auf Fragen wie: Gibt es buntkarierte Staubblätter oder belockte Blütenblätter? Können sie gezüchtet werden? Und zu welchem Zweck? Wo findet Naturwissenschaft ihre Grenzen? Tief beeindruckt war die Künstlerin von der Vielfalt und „Verspieltheit“ der Natur. Was – so fragte sie sich – würde ein Mensch für eine Pflanze schaffen, wenn er seiner Kreativität freien Lauf lassen dürfte? In schillernden Farben liegen, auf einem großen Arbeitstisch, alle Zutaten bereit: Staub-, Kelch- und Blütenblätter, Fruchtknoten, Griffel, Narben, Pollensäcke, Blütenstiele. Spielend leicht sind die einzelnen Bestandteile miteinander kombinierbar: Mit einem einfachen Stecksystem können diese Einzelteile aufeinander gepfropft werden und eine neue „Spezies“ ist kreiert. Was herauskommen könnte, ragt als noch unvollendete Schöpfung in der Mitte des Labortisches als Installation aus Keramik auf. Kreieren, verändern, verwerfen, neu beginnen. Mit den Teilen kann ein möglichst hoher Turm gebaut werden. Ob er einstürzen könnte? Ästhetisch – unästhetisch, sinnvoll – sinnlos, nützlich – gefährlich: Was werden das für Pflanzen sein, die so einem Spiel entspringen? Es sind keine Grenzen gesetzt und alles ist machbar. Ein schöner wie erschreckender Traum eines jeden Künstlers wie Wissenschaftlers.

 

ARTIST IN LAB – Ein Initiativprojekt der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt 

1. Wissenschaft und Kunst 

Nicht erst der erweiterte Kunst- und Wissenschaftsbegriff von Joseph Beuys weist der Kunst und der Wissenschaft ein gemeinsames Arbeitsfeld zu, und zwar jenseits allen mechanistischen Denkens. Beuys spricht wie vor ihm bereits Leibniz, Spinoza oder Schelling von der Wiederkehr einer „lebendigen und beseelten Natur“, lange bevor Naturwissenschaftler diese Einsicht in ihren Forschungen wissenschaftlich zu begründen suchten. Seitdem im 20. Jahrhundert Natur wieder als etwas „Sich-Selbst-Organisierendes“ gesehen und begriffen wird, gesteuert von einem universalen Gravitationsfeld, sind Unbestimmtheit, Spontaneität und Kreativität die neuen gemeinsamen Stichworte.

Wen wundert es also, dass viele Künstler heute an der ‚borderline’ zwischen Faszination, Erschrecken und Kritik am Umgang mit den neuen Möglichkeiten der Bio- und der Gentechnik oder auch der Neuro- und der Nanowissenschaften operieren? Und wen erstaunt es noch, dass Naturwissenschaftler über die Resultate ihrer Experimente gern auch spekulieren und riskante Hypothesen formulieren, während sich Künstler verstärkt zu wissenschaftlichen Methoden bei ihrer Arbeit hingezogen fühlen? Es ist also kein Zufall, dass viele Kunstwerke der letzten Jahre den Titel „Versuchsanordungen“ tragen. Und es spricht von dem „Möglichkeitssinn“ der Künstler, die nicht unabdingbar mehr Zukunft beschreiben, sondern Szenarien und „Denkbilder“ (Walter Benjamin) zur Lösung anstehender Probleme bereitstellen möchten.

Aber die Kunst konkurriert auch hier nicht mit den Wissenschaften. Die Kunst stellt uns Fragen nach dem Sinn der technischen Möglichkeiten, ohne sie beantworten zu können.

2. Kunst und Wissenschaft 

 Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist zu klären, ob die Kooperation von Wissenschaften und Künsten, die mit dem Sammeln, Anschauen und Visualisieren begann, heute definitiv im Unanschaulichen endet. Oder anders gefragt: Gibt es den „erkenntnistheoretischen Bruch“ zwischen dem Blick durchs Fernglas und der mathematischen Konstruktion?

Der Zweifel an der Wahrnehmungssouveränität, am eigenen „Augenmaß“ begleitet die Moderne von Jahrzehnt zu Jahrzehnt mehr. Denn über instrumentelle Krücken (Weltraumteleskope, Elektronenmikroskope, MRT, neueste Verfahren der Gentechnik etc.) haben wir unsere eigene Dimension verlassen und sind in Welten jenseits unseres anthropologischen Erfahrungshorizontes eingedrungen, die wir nicht mehr in Augenschein nehmen, nicht mehr Be-Greifen können. 

Und genau hier hat der Künstler seine Chance. Vorausgesetzt, er wird im Labor zum Kompagnon: Denn er kann mit seinen Mitteln über die Dinge, über das Forschungsmaterial, verfügen. Er kann nichtlineare Phänomene sichtbar machen, die auf traditionell methodischen Wegen für die Wissenschaft zuvor nicht greifbar gewesen sind. Denn das Erkenntnisangebot, das die Kunst der Wissenschaft macht, ist ja nicht die Nachbildung der wissenschaftlichen Modelle selbst, sondern die assoziative Entwicklung bildhafter Parallel- und Gegenmodelle. Dem so geschaffenen Kunstwerk steht die Wissenschaft dann ebenso unvermittelt gegenüber wie das nicht-wissenschaftliche, also nicht privilegierte Publikum. Hier bekommt Wissenschaft die Chance neu zu sehen und ihrerseits Erkenntnisse wieder in Frage zu stellen.

Der Künstler als visueller Anreger ermöglicht so wenigstens einen ersten Schritt zur Utopie eines dritten Weges (Heinrich von Kleist) auf dem metaphorisches Denken und exakte Forschungspraxis verschmolzen werden könnten. 

3. Wissenschaft, Kunst und Philosophie

 Nicht erst die Rückbesinnung auf den erweiterten Kunst- und Wissenschaftsbegriff von Beuys, dass jeder Mensch ein Künstler ist, lässt das Augenmerk stärker auf kreative Prozesse in der Wissenschaft lenken. Die gegenläufige Aussage, dass jeder Mensch ein Wissenschaftler ist, kann den Wissenschaften wichtige Inhalte liefern.So sagen uns die Neurowissenschaften heute wie wir sehen und hören. Sie beschreiben die Mechanismen, in denen sich etwas, das Außen ist, in unserer Hirninnenwelt darstellt. Wir denken, sagen sie, die Welt von innen nach außen nicht von außen nach innen. Aber: Immer bleibt das Subjekt samt Erfahrungswelt das Korrektiv, über das sich uns die Realität versichert. Und hier vernetzen sich Kunst mit Wissenschaft und Wissenschaft mit Kunst in zuvor nicht geahnter Weise. Künstler der Kunststiftung Sachsen-Anhalt, die mit einem Stipendium an den Neurowissenschaftlichen Instituten weilten, haben ihre ersten Äußerungen dazu gemacht.

Künstler der Stiftung hatten die Chance, auch mit der Nanowissenschaft und ihren Laboren in Berührung zu kommen. Die Nanowissenschaft erschuf bekanntlich in den letzten Jahrzehnten ihre eigene Nanowelt. Mit der Erfindung von Mikroskopen mit immer höherer Auflösung drangen Naturwissenschaftler tiefer und tiefer in die Terra Incognita des Nano-Kosmos ein. Doch: Gewinnen die Wissenschaftler mit diesem tieferen Einblick in die Materie auch ein besseres Verständnis dessen, was in den Dingen vorgeht? Sind die hoch aufgelösten Bilder des Mikro- und Nano-Kosmos wirklich Realität oder vornehmlich eine erfundene Welt der Quantenphysiker? Und: Welche Welt fügt der Künstler hinzu, wenn er sich dieser Terra Incognita nähert?

Fragen über Fragen häufen sich auch in der Biotechnik. Eine Stipendiatin hatte das Glück drei Monate in Gatersleben – einer der weltweit größten Genbanken – sein zu können. Auch hier werden Wege mit noch unklarem Ausgang beschritten: wenn die traditionelle Arbeit in der Genbank beispielsweise verbunden wird mit modernen Methoden der Molekularbiologie. Das Gaterslebener Leibniz-Institut erarbeitet neue Erkenntnisse über Struktur, Funktion und Evolution des Erbmaterials im Vorfeld der Pflanzenzüchtung und bemüht sich gleichzeitig um die Erhaltung, Erforschung und Erschließung der erblichen Vielfalt von Kulturpflanzen.

Auf dem Territorium dieser Genbank, den ambivalenten Folgen moderner Naturwissenschaft nachzuspüren und ästhetisch einen Beitrag zu kreieren, ist eine Herausforderung und Chance für jeden Künstler.

Selbst wenn Kunst und Wissenschaft mit den gleichen Methoden und Begriffen arbeiten, so assoziieren sie durch ihre eigenständige Tradition oft doch unterschiedliche Bedeutung, also völlig anderes.Hier kommt der Philosophie noch immer eine moderierende, eine interpretatorische Rolle zu, die gewonnenen Erkenntnisse in das vorhandene „Weltbild“ zu integrieren. Weltbild deshalb, weil wir gezwungen sind, die uns bewusste Welt in Analogien und Metaphern zu beschreiben. Denn die Unzulänglichkeit unserer Erkenntnismittel erlaubt es uns nicht, die überwältigende Komplexität der Welt auch nur annähernd zu erfassen. Eben deshalb spielt die Wirklichkeit des Symbols in den unterschiedlichen Erkenntnisprozessen von Kunst und Wissenschaft eine so wichtige Rolle. 

„Die Wahrheit der Kunst verhindert, dass die Wissenschaft unmenschlich wird, und die Wahrheit der Wissenschaften verhindert, dass die Kunst sich lächerlich macht.“ 
Raymond Chandler

Dr. Rita Kuczynski

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Artist-in-Lab – Ein Initiativprojekt der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt 

Knowhow-Transfer zwischen Kunst und Wissenschaft 

Jenseits der üblichen Grenzziehungen das Verhältnis von Kunst und Wissenschaft neu zu denken und zu gestalten, nach gleichen oder konträren Interessen zu fahnden, sich gegenseitig Anregungen zu geben, ist Ziel des Artist-in-Lab-Programms. 

Die Gratwanderung zwischen Kunst und Wissenschaft, der „fremde Blick“ auf die jeweils andere Wissens- und Erkenntnisform, das unmittelbare Aufeinandertreffen verschiedener Denkstrukturen sollen neue Arten der Reflexion auf beiden Seiten anregen. So sollen ästhetische Ansätze und Produkte keinesfalls als bloßes schmückendes Beiwerk wissenschaftlichen Forschens und Wissens gesehen werden. Um diese Prozesse in Gang zu setzen, begleiten Künstler drei Monate Forschung in Instituten von Weltniveau. Die Kommunikation und Interaktion zwischen Kunstschaffenden und Wissenschaftlern sollen neue Ebenen der Kreativität erschließen und zwar auf beiden Seiten. Beide entdecken im Idealfall neue Wege zueinander und neue gemeinsame Territorien. Indem Künstlern aller Gebiete – Bildender und Darstellender Kunst, Literatur und Musik – die Türen für solch gemeinsames Arbeiten mit den Wissenschaften geöffnet werden, entsteht gleichzeitig die Möglichkeit, auf eine Vielzahl wissenschaftlicher Phänomene einzugehen. 

Schon der Prozess der Annäherung und Interaktion kann zeigen, dass es wissenschaftlicher wie künstlerischer Forschung gerade auch um eines geht: das Erkennen, Begreifen und Darstellen der jeweiligen Wirklichkeit. Im Artist-in-Lab-Programm treffen Kunst und Wissenschaft sehr direkt in einem wissenschaftlichen Umfeld aufeinander. Die Resultate des Programms können sowohl in einem wissenschaftlichen Kontext (z. B. Laboratorium, Foyer, Hörsaal) als auch in einem Kunstumfeld (Galerie) präsentiert werden. Ob sich Kunst und Wissenschaft überzeugend zusammenführen lassen, ob die so verschiedenen Sinnsysteme wie Kunst und Wissenschaft zu neuen, durch die Verschmelzung ganz eigenen Darstellungsweisen finden, ob die Interferenzen von Kunst und Wissenschaft neue Potenziale eröffnen, können nur die Ergebnisse des jetzt startenden Dialogs zeigen. 

Das Programm ist für zwei Jahre konzipiert. Pro Jahr wird zwei Künstlern eine Kooperation vermittelt. Die Stipendienzeit ist jeweils drei Monate, die Höhe 6.000 €. 

Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben
Die Domestikation von Pflanzen steht an der Wiege unserer Zivilisation, und nur durch erfolgreiche Pflanzenzüchtung war und ist eine ausreichende Ernährung zu sichern. Das Gaterslebener Leibnizinstitut erarbeitet neue Erkenntnisse über Struktur, Funktion und Evolution des Erbmaterials im Vorfeld der Pflanzenzüchtung und bemüht sich gleichzeitig um die Erhaltung, Erforschung und Erschließung der erblichen Vielfalt von Kulturpflanzen. Grundlage letzterer Arbeit ist eine der weltweit größten Lebendsammlungen von Kulturpflanzen (Genbank), die durch Archive mit Herbar- und Samenmaterial ergänzt wird. 

Beinahe surreal muten die riesigen Kühlhäuser an, in denen sich Einweckgläser mit etwa 148.000 Saatgutmustern stapeln – über 28.000 allein von Weizen. Die Formen- und Farbenvielfalt der Natur allein bei diesem Getreide ist verblüffend. In regelmäßigen Abständen werden die Körner aus den Kühltruhen geholt und als Saatgut zur Vermehrung ausgebracht, um die Keimfähigkeit zu erhalten. 
Wie der Leiter der Genbank Professor Andreas Graner erläutert „stellt die Erhaltung des Sammlungsmaterials nicht nur eine wichtige Maßnahme gegen den Verlust biologischer Vielfalt dar, sondern liefert in vielen Fällen auch das Ausgangsmaterial für vielfältige Forschungsarbeiten und die Züchtung verbesserter Kulturpflanzen“. Im 1997 gegründeten Pflanzengenom-Ressourcen-Centrum und in den Abteilungen ‘Molekulare Genetik’, ‚Molekulare Zellbiologie’ und ‘Cytogenetik und Genomanalyse’ wird die traditionelle Arbeit der Genbank mit den modernen Methoden der Molekularbiologie verbunden. Arbeitsschwerpunkt sind Getreide, insbesondere Gerste. Im vergangenen Jahr wurde in Gatersleben erstmals genetisch verändertes Winterweizensaatgut ausgebracht, was für heiße Diskussionen sorgte: Unverantwortlich finden es die Gegner, da sie die unkontrollierte Befruchtung unmanipulierter Pflanzen befürchten. „Wir wissen das zu verhindern“, sagen die Wissenschaftler und fügen hinzu, dass Auskreuzungen, selbst wenn sie vorkämen, keinerlei Gefahr für Gesundheit und Umwelt darstellen. Doch sie verharren nicht im Elfenbeinturm. Auch wenn die Fronten verhärtet scheinen, öfnnen sie sich der Diskussion und wollen die andere Seite nicht „davon überzeugen, ein Risiko sei tragbar oder unzumutbar“, sondern werben dafür „unterschiedliche Sichtweisen zuzulassen und durch Informationsangebote, fruchtbare Diskussionen und aktive Beteiligung am Entscheidungsprozess“ gemeinsam Lösungen zu finden. Die Ziele der Forscher sprechen für sich: Vermeidung von chemischen Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmitteln, Anpassung von Kulturpflanzen an unterschiedliche Klimaverhältnisse, um damit einen Beitrag zur Ernährungssicherheit zu leisten. Außerdem arbeiten sie an der verstärkten Nutzung nachwachsender Rohstoffe.

Seit seiner Gründung ist das Gaterslebener Institut stets auch Begegnungsort mit Künstlern und Schriftstellern gewesen. Regelmäßig finden Konzerte, Kunstausstellungen, Schriftstellerlesungen, Vortragsabende oder Filmvorführungen statt, die seit 1991 von der „Gesellschaft zur Förderung der Kultur in Gatersleben e.V“. organisiert werden. Besonders hervorzuheben sind die von 1986 bis 2003 veranstalteten „Gaterslebener Begegnungen“ zwischen Naturwissenschaftlern, Künstlern, Sozialwissenschaftlern und Politikern. Sie thematisierten die ambivalenten Folgen moderner Naturwissenschaften für die Gesellschaft und verdeutlichten in intensiven Diskussionen die ethischen Dimensionen unseres Handelns. In der Nachfolge der „Gaterslebener Begegnungen“ fand im August 2006 das „Gaterslebener Gespräch“ statt, welches gemeinsam mit der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt durchgeführt wurde. 

Ein ganzes Spektrum zur künstlerischen Ver- und Bearbeitung öffnet sich in der eigenen kleinen Welt des IPK-Campus in der ländlichen Region bei Quedlinburg: Da sind die unendlich vielen Variationen von Formen und Farben, da sind die kontrovers diskutierten Fragen nach Verantwortung und Verantwortungslosigkeit sowohl bei Zulassung als auch bei Ablehnung gentechnischer Experimente. Hier tut sich dem Künstler ein ganzes Universum auf: formal und inhaltlich. 

Weiter Informationen unter www.ipk-gatersleben.de

Künstler, die vor der Bewerbung an einer Führung durch das IPK interessiert sind, melden sich bitte bis zum 15. Februar bei Frau Hüppauf (Tel.: 0345 2125938, E-Mail:info@kunststiftung-sachsen-anhalt.de) in der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt. Der Beginn des Stipendiums ist für Mai 2007 vorgesehen, jedoch sind nach Absprache zwischen Künstler und dem IPK auch andere Termine möglich. Für die Zeitdauer des Stipendiums kann ein Zimmer in einem der Gästehäuser gemietet werden.

Bewerbung noch bis 12. März 2007 möglich.

Impressum
Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt
c/o Stiftung Moritzburg
Friedemann-Bach-Platz 5
06108 Halle (Saale)
Tel.: 0345 / 21 25 90
www.kunststiftung-sachsen-anhalt.de

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