Loading...

Wiebke Kirchner

Bildhauerin

Arbeitsstipendium September 2023 - Februar 2024

Milky Poems

Seit der Geburt ihrer ersten Tochter im Dezember 2020 beschäftigt sich Wiebke Kirchner intensiv mit der künstlerischen Auseinandersetzung des Prozesses der Mutterschaft und ihrer diversen Facetten. Besonders die eindrückliche Erfahrung des Stillens inspirierte sie nachhaltig, da sich diese ursprüngliche, nährende Handlung durch alle Generationen der Menschheit zieht. Um ihren Blick über die eigenen Stillerfahrungen hinaus zu weiten, führte sie Gespräche mit anderen Müttern über deren Erlebnisse und begab sich auf kulturhistorische Spurensuche. Laktationsdarstellungen sind im Museum zuweilen zu finden, seltener jedoch in den zeitgenössischen Medien. Eine digitale Spurensuche durch den Einsatz von KI-Bildgeneratoren und Internetrecherche zeigte ihr, dass nur wenige Darstellungen der emotionalen, körperlichen und psychischen Erfahrung gibt. Während des Arbeitsstipendiums begann sie einen neuen Werkkomplex von bildnerischen Wandobjekten, die verschiedene Facetten der Laktation in den Fokus nehmen. Ausgehend von ihrer bisherigen Arbeitsweise arbeitete sie mit Methoden des Collagierens und ihrem Materialkanon Papier, Holz, Folie und Fundstücke. Jedoch führte sie auch mehrere Neuerungen in ihrer Arbeitsweise ein, etwa den Einsatz eigener Muttermilch als künstlerisches Material in Verbindung mit Epoxidharz sowie lyrische Experimente für die Titelfindung. In „The face sprinkled with milk“ reflektiert Wiebke Kirchners die eigene positive Stillerfahrung. Sie empfand das Stillen als eine Superkraft und ihre Muttermilch als einen Zaubertrank. Dieses Gefühl der Stärke wurde durch die Vorstellung verstärkt, mit der Kraft aller stillenden Frauen der Generationen vor ihr und somit mit einer Art Muttergottheit verbunden zu sein. „Despite the pain“ reflektiert die Erfahrungen einer Mutter, die zwei Kinder hatte und beide etwa zwei Jahre lang stillte, da sie überzeugt war, dass Muttermilch das Beste für ihre Kinder sei. Sie litt jedoch unter großen Schmerzen beim Stillen, da sie unter dem Raynaud-Syndrom litt. Gleichzeitig hatte sie mit übergriffigen Kommentaren aus ihrem sozialen Umfeld zu kämpfen, weil sie länger als ein halbes Jahr stillte. Trotz der Schmerzen fand sie innere Ruhe und Kraft durch ihre Überzeugungen und in ihrer Rolle als Beschützerin ihres Babys. Die Arbeit „A missing part“ beschäftigt sich mit den bereits 40 Jahre zurückliegenden Erfahrungen einer Mutter, die ihre Kinder in der DDR zur Welt brachte. Ihr erstes stillte sie nur sehr kurz, da sie ihr Studium nicht lang unterbrechen wollte, ihr zweites Kind wollte sie lange stillen. Kurz nach der Entbindung wurde ihr jedoch wenig einfühlsam mitgeteilt, dass sie aufgrund einer Erkrankung ein starkes Antibiotikum einnehmen musste und daher nicht stillen durfte. Intention der „Milky Poems“ war, die sozialen und emotional-persönlichen Facetten des Stillens künstlerisch zu erfassen und die oft marginalisierten Erfahrungen stillender Mütter Sichtbarkeit zu verleihen. Besonders betroffen machten Wiebke Kirchner die Diskriminierungserfahrungen und die soziale Abwertung gegenüber Müttern mit von der Norm abweichenden Stillerlebnissen. Ziel der Arbeiten ist es, den Dialog über diese gesellschaftlichen Normen stillender Frauen anzuregen.
Internationales Arbeitsstipendium: Armenien Juli – August 2018  

Vergangenheit neu denken und gestalten

Bei mehreren Expeditionen lernte Wiebke Kirchner die landschaftliche sowie kulturhistorische Vielfalt Armeniens kennen. So untersuchte sie mittelbronzezeitliche Drachensteine im Geghama-Gebirge und sprach darüber mit archäologischen Experten. So reifte in ihr ein Bild von den Relikten einer Kultur, die ihre Geheimnisse denjenigen preisgeben, die nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen eintauchen möchten. In Jerewan fand sie lokale Partner für den Druck einer Auswahl des zuvor gesammelten Bildmaterials auf mehreren Quadratmetern Klebefolie. Diese zerschnitt sie und legte erste Collagen an. Als deren Träger ließ sie sich von der mannigfaltigen Verwendung von farbigem Plexiglas im urbanen Raum Armeniens inspirieren – es entstand die Reihe „aspects of impects“. Im halleschen Atelier begann die Umsetzung der zentralen Arbeit. Angelehnt an die Drachensteine skizziert eine etwa 2,70 m hohe Konstruktion aus Holzlatten die Grundform der Plastik „Vishap“. Dieses Gerüst trägt großformatige, beidseitig bedruckte Papierfragmente mit einer intensiven Farbigkeit. Weitere Materialien wie farbig-transparente Wasserschlauchstücke oder grobgeschlagenes tiefschwarz glänzendes Vulkanglas vervollständigen das umgehbare Gebilde. Archäologische Kenntnisse über die frühere Wasserverehrung werden hierbei genauso kommentiert, wie Wissenslücken thematisiert – es bleibt Raum für Fantasie und Spekulation. Alle Arbeiten entstanden in Zusammenarbeit mit Thomas Kirchner.
Arbeitsstipendium September 2017 - Februar 2018

Bildwuchs auf Raumkernen

Die Künstlerin beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit bedruckten Papierschnipseln und wie diese Fragmente in Bildcollagen wirken. Während ihres Stipendiums erschloss sie sich bislang von ihr ungenutzte Materialien und weitete ihre Arbeitsweise ins Dreidimensionale. Die Kernfrage war: Wie steht die Wirkungsweise von Bildfragmenten in Relation zu einem wachsenden Gefüge? Wie kann das Ausgangsmaterial „bedrucktes Papier“ durch die Kombination mit anderen Materialien an räumlicher Qualität gewinnen? Hölzerne Konstrukte dienten als Basis, auf die die vertrauten Papierschnipsel aufgetragen wurden. Die Werkreihe „Bildwuchs auf Raumkernen“ besteht aus den Objekten „Finsterfeuer“, „Abstrusenstrudel“ und „Breakdance“.
Vita
1989 in Freiberg geboren │ seit 2007 Einzel- und Gruppenausstellungen u. a. in Halle, Paderborn, Neapel, New York, Melbourne, Jerewan │ 2010 – 2016 Studium der Malerei/ Grafik an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle bei Prof. Thomas Rug – Abschluss: Diplom │ seit 2016 │ seit 2016 freischaffende Bildende Künstlerin und Kunstvermittlerin │ 2019 Artist-in-Residence-Stipendium der Stadt Vechta │ 2019 – 2020 Cranach-Stipendium der Cranach-Stiftung Wittenberg │ lebt und arbeitet in Halle (Saale)