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„Als ob jeder Tag ein Sonntag wäre“ – Interview mit Nina Naußed

 

Nina Viktoria Naußed, Keramikerin, junge Mutter, Sammlerin und Archivarin

 

Kunststiftung: Frau Naußed, wie geht es Ihnen?

Nina Naußed: Gut. Ich bin sowieso in einer besonderen Situation, da ich eine drei Monate alte Tochter habe. Ich befinde mich gerade in einer Babyblase. Nur meine sozialen Kontakte vermisse ich. Ich bin deshalb sehr froh, dass es moderne Kommunikationsmittel gibt.

 

Woran denken Sie als erstes, wenn Sie morgens aufwachen?

Die Maus hat Hunger, das ist jetzt immer mein erster Gedanke. Und dann fällt mir ein, und darüber freue ich mich, dass ich keine anderen Verpflichtungen habe.

 

 

Also leiden Sie unter der gegenwärtigen Krise nicht allzusehr?

Ich habe da vielleicht Glück mit meiner Situation. Da ich in der Elternzeit bin, bin ich finanziell abgesichert. Ich kann mir ein bisschen Gelassenheit leisten. Aber mir tun die anderen leid, denen es nicht so geht.

 

 

Was bedeutet Ihnen Heimat momentan?

Hauptsächlich Familie und geliebte Menschen. Wenn man die nicht sehen kann wegen der aktuellen Situation, ist das traurig. Ich bin froh, dass mein Partner, ich und das Kind zusammensein können.

 

Woran arbeiten Sie gerade?

Ich dachte bei der Frage zuerst: an nichts. Aber das stimmt gar nicht. Ich beschäftige mich viel mit analoger Großformatfotografie, entwickle die Filme zuhause und mache dann Kontaktabzüge als Cyanotypien von den großen Negativen. Außerdem pflege ich täglich mein Archiv produzierter Erinnerungen.

 

Wie das?

Ich sammle seit acht Jahren täglich einen Gegenstand und bewahre ihn auf. Die Sachen finde ich unterwegs oder auch im Umgang mit meinen Mitmenschen. Man kann an ihnen unterschiedliche Lebenssituationen ablesen. Momentan fällt mir auf, wieviele Schnuller oder kleine Handschuhe auf der Straße liegen! Und besonders in dieser Zeit: Atemschutzmasken.

 

Haben Sie die Stücke schon einmal ausgestellt?

Ja, im „Kunst- und Projektraum hr.fleischer Kiosk am Reileck e.V.“ zum Beispiel, jedes in einer kleinen Plastiktüte, mit Funddatum und -ort beschrieben. Der Ort war dafür perfekt geeignet, weil man durch die großen Glasscheiben alles gut sehen konnte.

 

 

Ein Blick in die Zukunft: Wird sich für Sie etwas ändern?

Mit Kind sowieso. Es ist spannend, alles wieder wie beim ersten Mal wahrzunehmen und die Welt mit Kind zu entdecken. Ich habe die Hoffnung, dass sich die Menschen auch nach dieser Krise das Innenhalten bewahren können; dass nicht alles so weitergeht wie bisher. Und ich freue mich darauf, wieder andere Leute treffen zu können.

 

 

Momentan nimmt Nina Naußed ihre Wahlheimat Halle mit anderen Augen wahr. Das ging ihr schon einmal so, nach ihrem Arbeitsstipendium in Tel Aviv. Deshalb ist ihre Babypause – und natürlich die derzeitige Ausnahmesituation – wie geschaffen für das Fotografieren draußen. In Halle sähe es aus, sagt sie, als ob jeder Tag ein Sonntag wäre. Diese besondere Stimmung versucht sie einzufangen. Das klingt ganz so, als ob auch diese Bilder einmal archiviert würden.

 

 

1987 in Berlin geboren | 2007 – 2013 Studium an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, Studiengang Plastik/Keramik | 2011-12 Studienaufenthalt an der HDK, School of Design and Crafts Göteborg | seit 2013 freiberuflich in Halle (Saale) tätig | 2015-16 Seminar bei Sibylle Fendt, Ostkreuzschule für Fotografie, Berlin | seit 2017 künstlerische Mitarbeiterin an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle im Fachgebiet Keramik | 2017 Arbeitsaufenthalt im Benyamini Contemporary Ceramics Center in Tel Aviv, Israel | 2013 Richard-Bampi-Reis, 3. Preisträgerin | Teilnahme an diversen Ausstellungen u.a. in Halle, Berlin, Paris, Washington und Tel Aviv

Nina Viktoria Naußed, Unkontrollierter Leerstand.Raum XV, 2017, Ton, Porzellan, Papier

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