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Artist in Lab: Sinn-es-transfer

Die Stipendiaten des Artist in Lab-Projekts Iris Kerlen und Friedemann Knappe stellen ihre Arbeitsergebnisse vor

Datum: 2. Februar 2007
Uhrzeit: 14.30 Uhr
Ort: Technikum des Neubaus des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik, 
Walter-Hülse-Straße 1, 06102 Halle

Artist in Lab – dieses Projekt initiierte die Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt im Januar des vorigen Jahres. Die Textildesignerin Iris Kerlen und der Metallbildhauer Friedemann Knappe wurden für das Arbeitsstipendium für das Fraunhofer?Institut für Werkstoffmechanik in Halle ausgewählt. Nun werden sie ihre Arbeitsergebnisse im Projekt „Sinn-es-transfer“ vorstellen. 

Während ihres dreimonatigen Aufenthaltes in den Laboren des Fraunhofer Instituts begleiteteIris Kerlen die Wissenschaftler bei ihrer täglichen Arbeit. Die für sie wesentlichen Anregungen erfuhr die Künstlerin beim Blick durch Mikroskope. Sie hatte sich vorgenommen, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob und – wenn ja – welchen Zusammenhang es im Universum zwischen Mikro- und Makroebene gibt. Ihre Eindrücke von den Vergrößerungen, die bis in die atomare Ebene vordringen, setzt sie auf Textilbahnen um. Die großformatigen, etwa 2,50 m langen Textilbahnen werden frei von der Decke abgehängt. Es entsteht ein begehbares Objekt, in das der Betrachter einbezogen wird. Durch Vertiefung in das Kunstwerk kann er sich immer neue Ebenen erschließen. Schaut er von schräg unten auf die sich beim leisesten Luftzug bewegenden Stoffe, entsteht durch die minimalen Erhöhungen der Schaumlinien der Eindruck des Changierenden. Hervorgerufen wird der Eindruck des Instabilen, wozu ebenfalls das Licht beiträgt, das durch die zarten Stoffe hindurchfällt. Zufällig sind bei diesen großen Bahnen – im Gegensatz zu kleineren, bei denen die Farbe gleichmäßig aufgebracht wurden – die entstandenen Strukturen. Sie erinnern an Flussdelten, an Sand auf dem Meeresgrund, an Wolken, wirres Geäst. Bei näherem Herantreten gerät das große Ganze aus dem Blick, löst sich auf. Die Konzentration gilt dann einem winzigen Ausschnitt, der dennoch gleichfalls in steter Änderung begriffen ist. In der Natur ist alles möglich – kristallin Geordnetes, Starres aber auch Chaotisches, Wirres. Der Zusammenhang zwischen Mikro- und Makrokosmos scheint ein Geheimnis zu bleiben …

Friedemann Knappes Interesse an Bildern, die Wissenschaftler für ihre Forschungen aufnehmen, reicht auf eine Begegnung vor einigen Jahren zurück: „Die Ateliergemeinschaft, in der ich mit Cornelia Weihe, Rainer Henze und Thomas Leu arbeite, zeigte vor einigen Jahren auf dem Gelände des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik, das dem Fraunhofer-Institut benachbart ist, Skulpturen. Dadurch entstanden Kontakte zu den Wissenschaftlern und wir hatten eine Führung durch die Labore, bei der wir auch Bilder sahen, die durch ein Rasterelektronenmikroskop aufgenommen worden waren. Mich beeindruckten die visualisierten Mikrostrukturen, ihr ästhetischer Reichtum, ihre unendlichen räumlichen Variationen.“ Von einem Stipendium erhoffte er sich weitere solche Eindrücke, die zur Bereicherung seiner gestalterischen Mittel führen.

Hochaufgelöste Abbilder kristalliner Strukturen und Korngefüge von Metalldrähten aufgenommen mit Transmissions- und Rasterelektronenmikroskopen sollten ihn zu seinen Werken, die er in der Ausstellung vorstellt, inspirieren. Derart vergrößert erscheinen die Untersuchungsobjekte als wohlgeordnete, strikt parallele Streifen oder erinnern an chaotische Einsprengsel wie sie von Granit bekannt sind. 

Besonders die parallelen Linien regten Knappe an: Auf teils quadratischen, teils rechteckigen Aluminiumplatten mit einer Seitenlänge von mindestens 20 cm entstanden teils Fragmente, teils vollständige geometrischer Formen, Kreise zumeist, die einander durchdringen oder nebeneinander stehen. Sie werden gebildet durch abwechselnd spiegelglatte und raue Streifen. Rostig, korrodiert blieben die unebenen Flächen nach dem Ätzbad in Eisen-3-Chlorid zurück, manchmal – untypisch für Aluminium – mit leichtem Rost bedeckt, während die mit speziellem Klebeband abgedeckten Flächen in ursprünglicher Glätte verblieben. Werden die Platten gleich einem Puzzle zusammengelegt entstehen Quadrate, Streifen, Vielecke – metallene Universen, die die Formen der Mikrostrukturen aufnehmen. 

In einem weiteren Arbeitsschritt werden die Platten von dem Künstler als Druckstöcke benutzt. Verschiedenfarbig kehren die rauen Bereiche auf dem Papier wieder, während die glatten Flächen nicht gedruckt werden. Spiegeln sie auf den Vorlagen, den Aluminiumplatten, den, der hineinschaut, das, was Gegenüberliegt, bleiben auf dem Papier Leerstellen – ein hintersinniges Spiel mit Positiv und Negativ, Sichtbarem und Unsichtbarem: Ein- und dieselbe Welt übertragen in unterschiedliche Medien hinterlässt verschiedene Eindrücke. Ein Wechsel zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem, der erinnert an die Strukturen, die sich nur dem menschlichen Forschergeist erschließen – objektiv vorhanden und doch dem bloßen Auge nicht sichtbar.

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