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Auf den Spuren der Geschichte – Interview mit Juliane Laitzsch

Frau Laitzsch, wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Kulturhistorischen Museum in Magdeburg?

 

Ich hatte mich vorher noch nie mit spätantiken Textilien befasst. Vor etwa 10 Jahren schon bekam ich das Angebot, mir die Textiliensammlung des Museums anzuschauen. Als ich die Fragmente sah, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es einst prächtige Stoffe waren. Ich habe dann zusammen  mit Bärbel Schlüter und zwei Wissenschaftlerinnen ein größeres Projekt über die Sammlung geplant. Daraus wurde zwar nichts, aber das Projekt war bereits so weit fortgeschritten, dass es in Zusammenarbeit mit dem Museum zur Planung der Ausstellung kam. Inzwischen habe ich so viel Material – viel mehr, als jetzt in Magdeburg gezeigt werden kann -, dass daraus ein Dissertationsvorhaben entstanden ist. Die Ausstellung ist ein Teil davon. 

 

Wie sind Sie an die Arbeit herangegangen?

Ich kam zunächst aus dem Staunen nicht heraus, was ich da eigentlich sehe. Und das, worüber ich staune, zeichne ich. Die Fragmente der Stoffe stammen aus der Spätantike. Die Anordnung der Stofffragmente in sechs Holzrahmen stammt aus dem 19. Jahrhundert. Ich war eine Woche in Magdeburg und konnte mir die Stücke genau angesehen und habe dabei festgestellt, dass die einzelnen Rahmen entgegen dem ersten Eindruck in ihrer Machart doch unterschiedlich waren. Das hat mich gewundert und war wieder ein Anlass zu zeichnen.

 

Sie haben einzelne Ausschnitte aus den Fragmenten stark vergrößert gezeichnet. Wie sind Sie dafür vorgegangen?

Ich habe zunächst kleinere Formate gezeichnet, aber die hätten die Ausstellung in Magdeburg in den großen Räumen nicht getragen. Ein Teil dieser Bilder wird demnächst in Taiwan ausgestellt. Für Magdeburg habe ich die Details jeweils doppelt gezeichnet, ausgehend von Fotografien aus jeweils leicht veränderter Perspektive, und die Zeichnungen dann nebeneinander gestellt. Ich versuche damit, den Moment, bevor wir uns ein Bild von den Dingen machen, den Moment, in dem wir noch nicht wissen, was wir sehen, zu umtanzen. So sind auch die Text-Zeichnungen entstanden: Manche erzählen über die Stoffe, manche sind Zitate von Zitaten, die sich widersprechen. Hinter meiner Textauswahl steht die Frage: Woher weiß ich, was ich weiß?

 

Sie waren im Rahmen eines Aufenthaltsstipendiums der Kunststiftung in Kairo. Wo haben Sie dort weitere Teile der koptischen Stoffe gefunden?

 

In drei Museen: dem Koptischen, dem Ägyptischen und dem Textilmuseum. In der Magdeburger Ausstellung sind Fotos zu sehen, die auf die Museen in Kairo verweisen. Dort wurde auch bestätigt, dass es sich bei den Textilien zum großen Teil um Mumienverhüllungen handelt. Es war sehr wichtig für mich, die Stücke nicht nur in Büchern zu sehen, sondern auch in ihrer ursprünglichen, mir fremden Umgebung. So konnte ich ein Raumgefühl entwickeln.

 

 

Sie haben in Ihren Teil der Ausstellung ein Bild von Eugen Bracht integriert und sein Atelier gezeichnet. Warum dieser Künstler?

Es gibt eine lange Tradition von Künstlern, nach Ägypten zu reisen. Heute wird das im Zuge der Postkolonialismus-Debatte kritisch gesehen. In diesem Zusammenhang wollte ich auch mein eigenes Tun reflektieren. Für Eugen Bracht habe ich mich entschieden, weil sein Bild Teil der Sammlung des KHM ist. Er  passte gut, weil er bei seiner Arbeit ähnlich vorgegangen ist wie ich. Über Fotos und Skizzen, die später im Atelier ausgearbeitet werden.  So bin ich auch auf die Aufnahmen seines Ateliers gestoßen. Dessen textile Verhüllung fand ich faszinierend, für einen Maler, der Weite und mächtige Landschaften malt. Und mir gefällt auch, dass Eugen Bracht ein anerkannter Hobby-Paläontologe war mit Ehrendoktorwürde. Er hat die Spuren von Geschichte in der Landschaft gesucht. 

 

Juliane Laitzsch studierte in Bremen und Berlin Bildhauerei. Ihr Hauptmedium ist die Zeichnung. Ausgehend von einem Interesse für das Werden und Vergehen, für den Verfall und die Frage, wie eine Auseinandersetzung mit einem Objekt aus einer „anderen“ Zeit möglich ist, befasst sie sich mit historischen Objekten. Die Zeichnung dient ihr hierbei als ein Medium der Annäherung und Verlangsamung. Dabei gilt ihre Aufmerksamkeit dem Prozess des Zeichnens, seiner Eigendynamik, seinen Rhythmen, Resonanzen und Rückkoppelungen.

Zeichnungen von Juliane Laitzsch befinden sich in öffentlichen und privaten Sammlungen. Sie war u.a. Stipendiatin des Berliner Senats, des Landes Mecklenburg-Vorpommern und der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt. Juliane Laitzsch lebt und arbeitet in Carlow. www.julianelaitzsch.de

Detail eines Fragments; Juliane Laitzsch

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