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Bildteppich zierte einst einen Herrscherpalast

Wer die großartigen Ausstellungen der Arbeiten von Bärbel Schlüter und Juliane Laitzsch zu koptischen Stofffragmenten sowie Knoten und Quasten aus der Zeit der Renaissance anschauen möchte, durchschreitet zunächst einen Raum der Dauerausstellung, die den historischen Kunstsammlungen gewidmet ist. Beschäftigen sich die beiden Künstlerinnen mit einigen der kleinsten textilen Sammlungsobjekte, so werden in diesem Saal mit zwei wandfüllenden Bildteppichen einige der größten und repräsentativsten Textilien der Sammlung präsentiert.

Einer davon ist Vertumnus und Pomona, Bildwirkerei, Wolle und Seide, durchwirkt mit Gold- und Silberfäden

358 cm x 400 cm

Brüssel, 1. Drittel 17. Jh.

Zeichen der Bildwirker Jan Raes I. (1610-1634) und Jakob Geubels

 

Der Bildteppich stellt eine der Verwandlungsszenen dar, die der antike Autor Ovid in seinen Metamorphosen, Buch 14, Vers 623 bis 771 schildert. Zu sehen sind die Baumnymphe Pomona und der Gott der Jahreszeiten und Wandlungen Vertumnus in einem von Arkaden gegliederten Garten. Da Pomona sich ausschließlich der Gartenarbeit widmete und an Männern kein Interesse zeigte, näherte sich der verliebte Vertumnus ihr in unterschiedlichen Gestalten, um ihr bei der Gartenarbeit zu helfen. In seiner wahren Gestalt kann er sie schließlich für sich gewinnen.

 

In der Zeit der Renaissance brach in Europa eine neue Gartenleidenschaft aus. Zahlreiche Zierpflanzen wie die Tulpen, die einen wahren Tulpenboom auslösten, aber auch Gladiolen, Platanen und auch der Flieder wurden im 16. Jahrhundert in Europa eingeführt und von Königen und Fürsten gesammelt. Kein Wunder, dass sich Teppichserien zu der Erzählung Ovids von Pomona und Vertumnus großer Beliebtheit erfreuten, konnte man durch sie doch einen ganzen Saal wie einen Garten erscheinen lassen. 1548 erwarb die Statthalterin der Niederlande Maria von Österreich, die Schwester Kaiser Karls V., einen solchen Zyklus bei den renommierten Brüsseler Bildwirkern. Im Kunsthistorischen Museum in Wien hat sich eine Serie von neun Bildteppichen zu den Verwandlungen des Vertumnus und der Jahreszeiten aus dem Besitz der Habsburger erhalten. Weitere unvollständige Wiederholungen derselben Bildfolge befinden sich im Nationalen Patrimonium Spaniens in Madrid. Sie sind mit unserem Magdeburger Teppich eng verwandt, der sicher auch ursprünglich zu einem Zyklus gehörte. Betrachtet man ihn aus der Nähe, so sieht man an den reifen Früchten und Weintrauben, dass er für die Jahreszeit des Spätsommers stand.

 

Zu Recht war der erste Direktor des Museums, Theodor Volbehr, stolz, dass er 1913 diesen kostbaren Bildteppich, wie er einst Herrscherpaläste zierte, aufgrund der großzügigen Finanzierung durch die Magdeburger Unternehmerin und Mäzenin Selma Rudolph (1853-1931) für das Haus erwerben konnte.

Bildteppich Vertumnus und Pomona

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