Loading...

Die Glut ist immer da – Interview mit Roman Pliske, Leiter des Mitteldeutschen Verlags seit 2004

Kunststiftung: Was bedeuten Ihnen Bücher?

Roman Pliske: Ganz viel. Bücher sind gespeichertes Wissen, beste Unterhaltung, Erlebnisse im Stillen, Eintauchen in fremde Welten.

Wie viele Bücher erscheinen jährlich im MDV?

130 Neuerscheinungen, ohne Nachdrucke.

Sind Kunst-Bücher darunter?

Ja, so 10 bis 15 Prozent. Wir haben feste Reihen wie die Ateliergespräche und veröffentlichen darüber hinaus Bildbände – Fotos, Malerei, Zeichnung – oder Museumskataloge.

Wie gefragt sind diese Bücher?

Sie sind special interest-Produkte, ähnlich wie Gedichte in der Literatur. Wenn wir vierstellig verkaufen, ist das ein großer Erfolg, die Regel ist dreistellig. Aber auch wenn man sich manchmal fragt, warum man diese Bücher verlegt – es ist die Königsdisziplin!

Was braucht ein Verlag heutzutage, um zu überleben?

Tolle Kollegen! Ein motiviertes Team – immerhin arbeiten wir für ein relativ geringes Gehalt, in der Werbebranche zum Beispiel oder im öffentlichen Dienst wäre mehr zu verdienen. Die Mitarbeiter müssen Lust auf die Arbeit haben und für Bücher leben. Und ein Verlag braucht eine Idee. Manche Verlage haben wirklich nur eine einzige. Der MDV hat ein breites Programm, das ist Fluch und Segen zugleich. Dadurch gibt es kein scharfes Profil, dafür aber mehrere Beine, so dass es nicht so schnell wackelt.

Was braucht es, damit der MDV ein Manuskript annimmt?

Ich werde neugierig, wenn ich etwas noch nie gesehen habe, wenn eine Idee geboren ist. Sie muss frisch sein und mich in das Thema reinziehen. Das können zum Beispiel wiederentdeckte Fotografien aus der Jahrhundertwende genauso sein wie moderne Bilder. Die Glut ist ja immer da, aber sie muss zum Brennen gebracht werden!

In diesem Jahr sind die Buchmessen mehr oder weniger ausgefallen. Was bedeutet das für die Verlage?

Wir selber sind normalerweise sowohl in Leipzig – mit einem der größten Stände dort – als auch in Frankfurt vertreten. Die Messen sind sehr unterschiedlich angelegt, in Leipzig zum Beispiel haben wir 40 Lesungen an drei Tagen, das ist ein großes Lesefest. An unserem Stand bekommen wir direkte Reaktionen auf unsere Erscheinungen: Sind sie zu teuer? Wie sieht das Cover aus? Wie kommen die Inhalte an? Diese Kontakte sind so nur in Leipzig möglich

Und Frankfurt?

Dass Frankfurt ausgefallen ist, ist wirklich ein herber Schlag. Dort erlangt man internationale Aufmerksamkeit und knüpft Verbindungen zum Fachpublikum und zur Presse. Der persönliche Kontakt ist wichtig und fehlt jetzt, wir müssen auf bestehende Kontakte hoffen. Aber es fehlt die Verführung des Moments.

Hilft es, wenn die Veranstaltungen wenigstens digital stattfinden?

Das funktioniert meistens nicht. Auf den Messen geht es auch um Vertrauen, beim Rechtehandel zum Beispiel. Das kann digital nicht aufgebaut werden, eine Überzeugung des Gegenübers kann so nicht erreicht werden. Digitale Lesungen sind zwar möglich und ja auch in großer Zahl veranstaltet worden, aber sie sind kein richtiger Ersatz, der Zauber fehlt. Außerdem haben die Menschen häufig schon den ganzen Tag am Computer zugebracht – ich weiß nicht, ob sie dann noch Lust haben, sich dort am Abend eine Theatervorstellung oder eine Lesung anzuschauen.

Wie sehen Sie die Zukunft des Buches?

Zerrissen. Wir sehen die starken Angriffe von Netflix und Co., die große Konkurrenz zu anderen Medien. Die Frage, die heute in Gesprächen gestellt wird, ist nicht mehr: Was liest Du gerade? Sondern: Was guckst Du zur Zeit? Das lässt sich nicht rückgängig machen, dafür ist das Angebot auch viel zu gut.

Roman Pliske (Foto: Marco Prosch)

Zurück zur Übersicht