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Die Stofflichkeit der Dinge – Interview mit Bärbel Schlüter

Hatten Sie sich vor dem Projekt schon einmal mit dem Thema Textilien befasst?

Die Stofflichkeit der Dinge, die Untersuchung von Materialität, das Ausloten von Innen-/Außen-Bezügen sind Aspekte meiner künstlerischen Arbeit. Mich interessieren Gesten des Machens wie das Knoten, Schnüren, Schichten, Legen, Stellen, Fallenlassen. Historische Textilien sind erstmals der Anlass für ein künstlerisches Vorhaben.

Sie haben sich den Inventar-Karten sehr ausführlich gewidmet?

Die kleine Gruppe der Quasten sind 1892 von Wilhelm von Bode angeschafft worden. Seither lagern sie im Depot und waren für ein Publikum nicht öffentlich zugänglich. Einen Einblick in das Eigenleben der jeweiligen Quaste als Museumsstück geben die Notizen und Fotografien der Inventarkarten. Die verschiedenen Fotografien, die über die Zeit von mehreren Personen zur Identifizierung des Gegenstands angefertigt wurden, bilden ab und geben zugleich das Sammlungsstück zu sehen. Dieses Wechselspiel von sachlicher Reproduktion und subjektiver Fotografie habe ich in meinen Arbeiten aufgegriffen.

Warum haben Sie 3D-Drucke angefertigt?

Im Rahmen von Museumsausstellungen wurden einst historische Quasten als Ausstattungstücke neben Kunstwerken gezeigt (z. B. als Beschwerung von dicken Kordeln und Seilen, die zur Verspannung von historische Teppichen auf Museumswänden verwendet wurden) oder als Anschauungstücke einer Mustersammlung, die zur Nachahmung anregen sollten. In der Skulpturen-Serie greife ich das Thema der Reproduktion von musealen Sammlungsstücken auf, allerdings wird die Knotenstruktur verwandelt durch die Übertragung in ein festes Material und die zirka zweifache Vergrößerung. Vor dem Hintergrund historischer Ausstellungen interessiert mich, die Präsenz der Quasten ins Spiel zu bringen. Deren jeweiliges Abbild zeigt die Quaste im Zustand der Lagerung, und zwar als Liegende.

Sie sind eigentlich Bildhauerin – wie kam es zu Ihrer Beteiligung an dieser Ausstellung?

Bezugspunkte meiner künstlerischen Arbeiten sind Beobachtungen zu Zusammenhängen von Objekt und Umraum und zum Potential von Übergangsräumen wie beispielsweise Korridore, Keller, Bahnhöfe. Das Museumsdepot wird heute im wissenschaftlichen Diskurs als Möglichkeitsraum verhandelt; diese Frage aus der Nähe zu betrachten, hat mich gereizt. Teil des Projektes waren regelmäßige Treffen im Kulturhistorischen Museum, das Textilmagazin war in mehrfacher Hinsicht der Ort der Begegnung und (Ver-)Handlungsraum.

 

Bärbel Schlüter studierte Freie Kunst, Kunstpädagogik und Kunstwissenschaft und arbeitet an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft. In ihren künstlerischen Arbeiten sowie kunstwissenschaftlichen Untersuchungen hinterfragt sie das Verhältnis von Objekt und Umgebung und die Wechselwirkung von Installation, Raum, Ort und Publikum. Ein Schwerpunkt bildet die Aufmerksamkeit für Potentialitäten von Zwischenräumen, ausgestellt in Installationen für Kellerräume (Galerie 13 Hannover, Galerie Signum Heidelberg) oder mit Fassaden (Allgemeiner Konsumverein Hannover, Kunsthalle Lingen). 2013 promovierte sie zum Thema der künstlerischen Interventionen mit der Dissertationsschrift „Im Raum der Fassade: temporäre Installationen“. Die Künstlerin arbeitet seit 2001 vielfach in interdisziplinären Kontexten: als künstlerische Mitarbeiterin an der Fakultät für Architektur und Landschaft der Leibniz Universität Hannover, als Gastwissenschaftlerin am Institut für Kunst und Gestaltung der TU Wien , als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunstwissenschaft an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig (HBK), als Co-Organisatorin der Tagung „Muster im Transfer“ an der HBK Braunschweig und als Fellow des Workshops „Kunst und Wissenschaft in Bewegung“ der VolkswagenStiftung. Seit 2015 verwaltet sie die Professur Freie Kunst mit dem Schwerpunkt Kunstvermittlung an der HBK Braunschweig. www.atelierhaus-hannover/baerbel-schlueter.de

 

In Seidenpapier gehüllt: Quaste aus der Renaissance; Arbeit von Bärbel Schlüter

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