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Engel zeigen das Fremde

Interview mit Hermann Grüneberg, Plastiker

Kunststiftung: Herr Grüneberg, von Ihnen sind vier Engel-Figuren aus Ihrem Arbeitsstipendium „New Angel“ in der Ausstellung zu sehen. Warum Engel?

Hermann Grüneberg: Als Künstler entnehme ich einen großen Teil meiner Bilder dem Unterbewusstsein. Die Wesen, die dabei zu Form gelangen, können keine Menschen sein – Engel schon eher.

Engel wurden in der Kunst häufig liebreizend dargestellt. Ihre sind anders, oder?

Eine meiner Figuren empfinde ich als immerhin zart. Der Liebreiz der Engel ist ja auch nur ein Teil der Geschichte. Ich las Beschreibungen von alttestamentarischen Seraphim, die mit unzähligen Augen und Flügeln bestückt, von Feuer umgeben und auf Räder gestellt waren. Da zeigt sich also schon wieder eine deutliche Nähe zu bestehenden Bildwelten.

Haben Sie sich im Zug des Arbeitsstipendiums mit dem Thema näher befasst?

Knausgards Roman „Alles hat seine Zeit“ war ein Ausgangspunkt. Engel jagen in den Wasserläufen undurchdringlicher Wälder Fische und verzehren ihren Fang umgehend und roh. Scheu, stumm und gegenüber dem Menschen in nahezu feindseliger Distanz – das war ein mir neues und starkes Bild, das sich in der späteren Recherche anderer Engelmotive nicht überdecken ließ.

Passen sie zum Thema „Verwandlung“?

Im Kern zeigen meine Engel Möglichkeiten der Darstellung auf. Sie sind also Repräsentanten meiner Vorstellungskraft. Ihnen zugrunde liegt ein Menschenbild und dessen Überschreitung oder eben Verwandlung. Sie bleiben vieldeutig und wandelbar. Durch ihre Ausformung, ihr Erscheinen im Sichtbaren, verwandelt sich Idee in Wirklichkeit.

Was fanden Sie besonders interessant bei der Beschäftigung mit dem Thema?

Die Beziehung der Menschen zum Mysterium. Eine Sehnsucht, der in unserer modernen Gesellschaft die Hürde der Vernunft entgegensteht. Meine Figuren verdeutlichen diese Kluft. Sie haben keine offenkundige Botschaft für uns. Sie existieren scheinbar um ihrer selbst willen. Sie zeigen das andere, das Fremde, und das allein schon ist ihr Grund.

Hermann Grüneberg, New Angel III, 2019

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