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„Es ist Magie, es ist Frustration“

Julius Weiland gehört dem Künstlerischen Beirat der Kunststiftung an. Er ist aber auch ein Künstler, der seit Jahren mit Glas arbeitet. Ein Gespräch über ein uraltes Handwerk, den Reiz des Feuerpolierens und die Hoffnung auf eine neue Lust am Glasblasen.

 

Wie es ist, sich als zeitgenössischer Künstler auf Glas einzulassen, hat Julius Weiland glückhaft und auch niederschmetternd erlebt. 1971 in Lübeck geboren, studierte er an der Hochschule für bildende Künste Hamburg bei Ann Wolff und sah im Glas von Anfang an ein künstlerisches Medium. Ein Praktikum in einer Glashütte im schwedischen Maleras und ein Aufenthalt in der berühmten Pilchuk Glass School bei Seattle brachten ihm die Gewissheit: Glas muss es sein. Seither ist er als Künstler international bekannt und gefragt. Julius Weilands Arbeiten befinden sich in zahlreichen Sammlungen wie beispielsweise im Victoria & Albert Museum in London, in der Sammlung Würth in Künzelsau oder im Museum Kunstpalast / Glasmuseum Hentrich in Düsseldorf.  Julius Weiland gehört dem Künstlerischen Beirat der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt an. Grund genug, ihn zum Wettbewerb „Weltkulturerbe trifft auf Immaterielles Kulturerbe“ zu befragen.

 

Zeitgenössische Künstler werden mit einer Glashütte zusammengebracht. Ist das eine normale oder eine eher ungewöhnliche Verbindung?

Julius Weiland: Das ist relativ selten. In den siebziger oder achtziger Jahren, als beispielsweise Rosenthal noch selbst Glas produziert hat, waren zeitgenössische Künstler immer mal wieder eingeladen. Ich kenne solche Verbindungen eigentlich nur noch aus dem Porzellanbereich, von Nymphenburg oder Kahla. Aber generell kommt es kaum noch vor, dass Handwerk und Kunst etwas zusammen machen. Das finde ich sehr schade.

Was reizt Dich denn am Glas?

Glas ist so spannend, weil es eine amorphe Masse ist, die man in einem Zustand von flüssig bis gerade noch verformbar gestalten kann. Das macht die Magie aus. Man kann Glas nicht mit den Händen greifen, sondern braucht Werkzeuge dazu. Es braucht zum Beispiel Negativformen, in die man hineinbläst. Letztlich sieht man das Resultat erst, wenn es erkaltet ist.

Der Wettbewerb hatte ja zunächst die Aufgabe, Künstler erstmal mit dem Instrumentarium einer Glashütte vertraut zu machen. Du hast dieses uralte Handwerk in Schweden von der Pieke auf studiert, wenn man so will. Was hast Du gelernt?

Es war wunderbar, in Schweden direkt mit den Glasbläsern arbeiten zu können. Ich habe sehr viel mit Sandformen gearbeitet. Eine Technik, die jetzt im Wettbewerb auch benutzt wurde – es wird einfach eine Schippe heißes Glas hineingekippt. Diese Möglichkeit hat man nicht so oft. Auch deshalb ist dieser Wettbewerb so besonders, weil Künstlerinnen und Künstler hier einen Zugang zu diesen Techniken erhalten, der sonst eigentlich kaum bezahlbar ist.

Für Dich als Künstler ist das Schmelzen des Glases besonders reizvoll. Warum?

Mich fasziniert die Machbarkeit von einer sehr glatten Oberfläche durch das Feuer. Glasbläser sprechen auch vom Feuerpolieren. Der Rand wird erst gesprengt und dann mit einer Flamme nachgeschmolzen. Das sind alles sehr einfache und sehr faszinierende Eigenschaften des Glases. Es erweicht, und es sackt zusammen. Glas verhält sich auf eigenartige Weise wie kein anderes Material. Die Oberfläche schließt sich immer wieder zu etwas Glattem. Glas lässt sich außerdem so bearbeiten, dass es völlig fremd aussieht. Wie Keramik zum Beispiel. Oder wie Stein. Die Bandbreite ist extrem groß, was auch bedeutet, dass man immer wieder mit Schwierigkeiten konfrontiert ist. Aber dieser Ansporn treibt eben alle an, die mit Glas arbeiten. Man will etwas schaffen, was nicht so leicht zu machen ist. Alle erliegen diesem Sog.

Bist Du auch schon am Glas gescheitert?

Ja, oft. Das ist dann immer sehr frustrierend. Manchmal können aber die Fehler auch reizvoll sein. Dann findet man das, was man vergeigt hat, plötzlich ganz interessant. Diese Macke haben viele. Sie entdecken etwas, was entstanden ist, und machen es dann zu ihrem Markenzeichen. Das Glas verführt eben auch. Ich gehe eigentlich immer einen Schritt zurück und sage: Glas ist sehr faszinierend, aber ich darf es nicht völlig außer Rand und Band lassen. Sonst landet man im Kitsch. Deshalb ist für die Kunst die Beschäftigung mit dem Handwerk so elementar. Nach dem Keramik-Boom kommt jetzt der Glas-Boom. Es gibt eine Sehnsucht nach dem Haptischen, die lange verpönt war. Jetzt steigt die Nachfrage.

Wie äußert sich dieser Boom?

Im Design passiert viel, weniger im Gebrauchsglas. Viele kleine Labels produzieren mundgeblasene Lampen. Das Problem ist nur, dass die Entwürfe im kleinen Studio entstehen, die Produktion dann aber doch wieder ausgelagert wird. Wenige Leute sind ja bereit, für eine mundgeblasene Lampe um die 1.000 Euro zu bezahlen, was ein realistischer Preis wäre.

Stimmt es eigentlich, dass Du in den Neunzigerjahren in Dessau 300 Kilo Glas aus dem aufgelassenen Impfstoffwerk geholt hast?

(Lacht.) Ja, das stimmt. Eine Kommilitonin hatte ein Theaterprojekt in Dessau, und es sprach sich herum, dass das alte Impfstoffwerk die Pforten öffnet und man mitnehmen kann, was sich tragen lässt. Meine Eltern mussten mich mit dem Auto abholen, und wir haben dann das Rohrglas erstmal in Hamburg zwischengelagert. Es ist alles zu Kunst geworden. Ich habe später wieder nach einem Hersteller dieser Röhren gesucht und bin in Thüringen fündig geworden.

Du gehörst dem Künstlerischen Beirat der Kunststiftung an. Wie erlebst Du diese Tätigkeit?

Das künstlerische Spannungsfeld liegt zwischen Berlin und Halle. Gleichzeitig gibt es Anträge von vielen Künstlern aus der Region, die mit einer ganz anderen Sichtweise daherkommen. Wie fördert man künstlerisch so eine Region? Wie lässt sich ein Nährboden auch für Leute schaffen, die eben nicht den Zugang zu den großen Töpfen haben. Ich finde wichtig, dass beispielsweise auch mal der Katalog einer Gruppenausstellung von Künstlern gefördert wird, die nicht so bekannt sind. Da legt man auch die Berliner Hochnäsigkeit ein wenig ab. Außerdem können sich bei der Kunststiftung auc­h Designer bewerben, was in Berlin nicht möglich ist. Ich finde es großartig, dass in Halle zum Beispiel herausragende Schmuckgestaltung oder Modedesign gefördert wird.

Was könnte der Glaswettbewerb im besten Falle bewirken?

Die Auszeichnung des Glasmacherhandwerks als immaterielles Kulturerbe ist doch im Grunde verpufft. Es gab kaum Aktionen, nichts ist passiert. Dieser Wettbewerb wirft ein neues Licht auf dieses Handwerk. Er könnte erreichen, dass sich wieder mehr Leute dafür interessieren. Im besten Fall auch junge Leute. Wir erleben ja gerade einen Wandel des Kunsthandwerks. In Berlin spricht man von einer Maker-Szene. Es gibt die Lust, ein Handwerk zu erlernen. Das Glasblasen sollte dazugehören. Schön wäre es, wenn für die Glashütten der Designanspruch wieder mehr in den Vordergrund rückt. Das ist in Deutschland lange vernachlässigt worden. Wir fahren heute nach Schweden und sind begeistert über die Sachen, die dort zu finden sind. Hier fragt man sich: Wo sind denn die Spuren des Bauhauses geblieben? Insofern setzt dieser Wettbewerb in meinen Augen das richtige Zeichen.

 

Die Fragen stellte Ingolf Kern.

Julius Weiland

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