Loading...

„Graphic Novels sind wie gezeichnete Filme“

Interview mit dem Grafiker und Illustrator Robert Voss

Interview mit dem von der Kunststiftung durch ein Arbeitsstipendium neu geförderten Illustrator und Grafiker Robert Voss

Zarte Linien und expressive Szenerien – 1971 in Halle (Saale) geboren, studierte Robert Voss 1991-1997 Malerei und Grafik an der Burg Giebichenstein, sowie Illustration bei Professor Jiri Šalamoun an der UMPRUM in Prag. Nach seinem Abschluss arbeitete er als Ausstatter und Grafiker am Puppentheater Halle, seit 2003 als freiberuflicher Zeichner, Grafiker, Illustrator und Autor. Seine vielfach ausgezeichneten Arbeiten wurden in der Schweiz, Österreich, Polen, Finnland und den USA ausgestellt und bei zahlreichen Festivals und Gastspielen gezeigt. 2007 und 2011 gewann er den Wettbewerb 100 Beste Plakate DE/CH/AT. 2008 wurde er für den Deutschen Designpreis nominiert und erhielt 2014 den KOMPASSS – den Kommunikationspreis des Bundesverbands Deutscher Stiftungen. Robert Voss ist Mitbegründer des Westflügel Leipzig und lebt und arbeitet in Halle und Berlin.

Für die aktuelle Förderrunde hat er sich mit einer Idee für eine Graphic Novel und Biografie über den deutschen Zoologen und Naturforscher Alfred Brehm beworben, die er gemeinsam mit dem Feuilletonisten Andreas Montag realisieren wird.

Um was wird es in Ihrem Projekt gehen und wie ist die Idee dazu entstanden?

Ich setze mich mit Alfred Brehm auseinander, der 1829 in Unterrenthendorf, dem heutigen Renthendorf in Sachsen-Anhalt, geboren wurde und wie kein anderer die deutsche Naturforschung und Zoologie über die Grenzen des Landes hinaus geprägt hat. Ich arbeite seit einigen Jahren mit dem Brehm-Haus in Renthendorf zusammen, dem Geburtshaus von Alfred Brehm, weswegen die Idee für eine Graphic Novel dort im Austausch entstand. Ich weiß nicht, ob es heute noch so ist, aber damals war Brehms „Tierleben“ ein Standardwerk in jedem Haushalt, fast so populär wie die Bibel. Sein Name wurde durch den Buchtitel zu einem Synonym für populärwissenschaftliche zoologische Literatur. Sein Geburtshaus wurde nach der Sanierung zu einer Pilgerstätte für seine Fans und Wissenschaftler. Die Graphic Novel über das Leben von Alfred Brehm ist auch als museumspädagogisches Vermittlungswerk gedacht. Und da ich gute Kindheitserinnerungen an ihn hatte, wollte ich das natürlich unbedingt machen.

Warum sollte es eine Graphic Novel gerade über Alfred Brehm geben?

Er war der erste Wissenschaftler, der das Verhältnis von Tier und Mensch ganz anders beleuchtet hat. In Berlin und Hamburg hat er Zoos gegründet, die den Anspruch hatten, das Tier in seiner natürlichen Umgebung zu zeigen. Dort wurden eben nicht nur Käfige gebaut, sondern ganze Landschaften. Es ging darum auszudrücken, dass Tiere Wesen sind, die Fühlen, die eine Wahrnehmung haben, die uns Menschen ähnlicher sind, als damals angenommen wurde. Er hat die Tiere mit all ihren Besonderheiten und ihrer Lebendigkeit ernst genommen. Somit hat Brehm das moderne Verständnis für Tiere begründet. Deshalb ist seine Forschung und seine Publikationstätigkeit auch für die heutige Zeit und alle Nachhaltigkeitsdebatten, die wir gerade führen, bedeutsam. Es geht grundlegend um die Frage, wie wir mit unserer Umwelt umgehen.

Warum ist die Graphic Novel ein gutes Medium, um seine Biografie zu illustrieren?

Es ist eine äußerst spannende Form des Comics, die ich auch selbst noch nicht so häufig ausprobiert und auf die ich totale Lust habe. Mich interessiert die filmische Erzählung mit den Bildern, denn Graphic Novels sind nichts anderes, als gezeichnete Filme. Des Weiteren interessiert mich der literarische Aspekt. Mit dem Feuilletonisten Andreas Montag habe ich einen großartigen Autor für das Projekt gewinnen können, der zugleich ein bekannter Journalist ist und einen wunderbaren Text schreiben wird. Die Synthese zwischen den literarischen und zeichnerischen Aspekten ist einfach unglaublich fruchtbar. Ich bin sehr gespannt, was für eine Arbeit dabei künstlerisch entstehen wird. Man kann sein Leben und seine Geschichte erzählen. Man kann einen kleinen Film erzählen und skripten. Es ist ein sehr offenes Medium. Es hat eine ganz besondere, ganz bestimmte Ästhetik. Die letzten Sachen, die ich gemacht habe in der Illustration, passen sehr gut dazu.

Wie fühlt es sich an zum ersten Mal so eine Graphic Novel anzugehen, gerade mit den Techniken der Illustration und des Comics?

Es gibt eigentlich kaum Unterschiede in der Arbeitsweise bei Comic und Graphic Novel. Die Graphic Novel ist einfach eine längere Strecke. Man muss dramaturgisch andere Höhen beachten. Die Sequenzen sind länger. Es ist wie ein Film auf Papier, der viele Spannungsbögen hat.

Wie sind Sie in ihrer Kindheit und Jugend zum Comic gekommen?

Ich bin ja primär Illustrator und der Comic ist ein Bereich von vielen, in dem ich zeichnerisch aktiv bin. Ich mache Kinderbuchillustrationen, Plakate und auch viele freie Sachen. Ich fand immer spannend, dass Zeichnungen Welten öffnen, Welten schaffen und mich in diese Welten hineinziehen und die Gedanken dahinter zu verstehen. Ich bin in der DDR aufgewachsen und deshalb natürlich ein riesiger Fan der Abrafaxe. Ich mochte aber auch die Asterix-Comics, Donald Duck, die Disney-Comics und die französischen Comics. Mit den Jahren wurde das Genre, auch in Deutschland, immer ernsthafter. Heutzutage gibt es irre gute Leute in dem Bereich, die sich mit politischen, kulturellen und erwachsenen Stoffen auseinandersetzen. Von denen kann man wahnsinnig viel lernen.

Hat die Bedeutung des Comics in Deutschland zugenommen?

Ja, absolut! Die Fanszene ist riesig geworden. Man erkennt es daran, dass es in den meisten Buchhandlungen Regale nur für Comics und Graphic Novels gibt. Die Bandbreite ist unglaublich groß geworden. Die Nachfrage ist riesig. Das Comic wurde lange als schmuddelig und nicht ernstzunehmend konnotiert, was ich nie verstanden habe. Das sehe ich nicht so und das hat sich vollständig geändert. Es gibt Preise, Kunstwettbewerbe und viele grandiose Beispiele für künstlerisch anspruchsvolles und intellektuell tiefgründiges Comic.

An welchen Projekten arbeiten Sie momentan?

Gerade arbeite ich an Plakaten für das Theaterstück „Momo“, das am Puppentheater in Halle aufgeführt wird. Davor habe ich das Plakat für das Stück „Der Orientexpress“ entwickelt. Des Weiteren sitze ich gerade an meinem alljährlichen Kalander mit Illustrationen von mir. Das ist ein echtes Sammlerstück – das auch das Comic als zeichnerische Form zelebriert.

Herzlichen Dank für das Interview!

Das Interview führte Kevin Hanschke (Leiter Diskurs, Öffentlichkeitsarbeit und Digitalisierung).



Bildergalerie »

Zurück zur Übersicht