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Halt

Anne Martin über die Arbeit mit den „Mächten“ Holz und Glas

Wie ein Speer durchstößt der Holzstamm in Anne Martins Skulptur „Halt“ das dicke Glas. Und trotz des Durchstoßes zerbirst das Glas nicht. Das Holz tritt in Interaktion mit dem fragilen Werkstoff. Der Stamm bildet eine Stütze und ist zugleich der Fuß dieser Skulptur, die auf der einen Seite leichtfüßig aussieht und auf der anderen ein so schweres Fundament haben kann, wie es nur das Material Holz zulässt. Damit die Skulptur so stehen kann, wie sie nun im Neuwerk 11 zu sehen ist, braucht es einen langwierigen Produktionsprozess, den uns die Künstlerin erklärt.

„In den letzten Jahren habe ich mich in meinen freien Arbeiten intensiv mit den materiellen Gegebenheiten von umfließendem Glas und umschließendem Holz beschäftigt. Glas als semipermeable Wand, die uns je nach Blickwinkel den Blick nach innen oder nach außen erlaubt und gleichzeitig eine unüberwindbare Barriere darstellt, symbolisiert Trennung und Verbindung“.

Die Künstlerin beschreibt den Prozess der Herstellung der Skulptur, der sehr aufwendig ist und viele Einzelschritte umfasst:

Der Anfang: Die erste Frage, die sich zu Projektbeginn stellte, war, welche besonderen Anforderungen an die beiden Werkstoffe im Prozess gestellt werden. Genauer gesagt, welche Viskosität und Temperatur das Glas haben sollte und welche Holzeigenschaften sinnvoll sind.

Das Holz: Nach einigen Versuchen fand ich die passende Viskosität des Glases und entschied mich für relativ frisches/feuchtes Birkenholz. Natürlich wären auch andere Hölzer wie Buche oder Eiche geeignet gewesen. Aber ich habe mich für ungetrocknetes Birkenholz entschieden, nicht nur aus Gründen der Machbarkeit, sondern auch aus ökonomischen und ökologischen Aspekten.

Der Sand: Nach Abschluss meiner Vorstudien und der Auswahl des Holzes wandte ich mich an die Glasmanufaktur Harzkristall in Derenburg. Die obere Schicht des Gußfundaments besteht aus Ölsand, darunter befindet sich eine lockere Blähtonschüttung. Der Ölsand wird an einem Punkt durch einen Holzspäne-Wachs-Kegel unterbrochen dieser erweicht und verbrennt beim Gießen des Glases und bietet nur einen geringen Widerstand gegen den Holzkeil. Außerdem befindet sich im inneren der Kiste ein Klappvorrichtung welche es ermöglicht dem Blähton beim eindringen des Holzes zu den Seiten verdrängt zu werden, was ein aufwerfen des Ölsandes verhindert.

Die Zusammenführung: Der Holzkeil wurde in einer Halterung geführt. Dies diente sowohl der Arbeitssicherheit als auch der stabilen und gleichmäßigen Bewegung des Holzes durch das Glas. Das Glas wurde im Hafen auf eine Temperatur von 1250 °C gebracht, damit es in der außergewöhnlich großen Form eine niedrige Viskosität behält und sich nivelliert. Das Holz blieb einige Minuten lang im flüssigen Glas, während der Eintrittsbereich abgekühlt und mit kalter Luft stabilisiert wurde. Die gegossene Glasplatte wurde an ihren Rändern ständig gewärmt, um große Temperaturunterschiede im Glas und damit das Risiko möglicher Spannungen, die zu einem Bruch führen könnten, zu verringern. Nachdem das Holz entfernt wurde, wurde der Stahlrahmen abgenommen und die Platte vom Sandbett auf ein mit Glasfasermaterial ausgelegtes Holzbrett geschoben. Dann wurde das Glas mit vereinten Kräften in den Kühlofen eingelegt.

 

„Ich war gerade in Derenburg angekommen, am 24.2.2022, am Vormittag. Voller emotionaler Dissonanzen. Freudige Aufregung gepaart mit fassungsloser Bestürzung über die politischen Entwicklungen in Europa. Am darauffolgenden Tag war es endlich so weit, dass ich erleben konnte, wie sich die beiden Mächte Holz und Glas gegenseitig prägen, verändern und bedingen.

Sehe ich einen Zusammenhang zur aktuellen Lage? Ja, aber mir fehlen die Worte.“

 

Anne Martin wurde 1983 in Lutherstadt Wittenberg geboren. Von 2010 bis 2019 war sie Studentin an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle in der Klasse „Bild / Raum / Objekt / Glas“ bei Professorin Christine Triebsch, wo sie 2019 ein Diplom der bildenden Künste erhielt.



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