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Internationales Arbeitsstipendium Tharangambadi – Christine Bergmann

Über ihren Aufenthalt und ihre Arbeit schreibt Christine Bergmann:

 

Mein fast zweimonatiger Aufenthalt in Südindien in Kooperation mit dem Ziegenbalghaus Tharangambadi war eine intensive Reiseerfahrung, geprägt von vielen Begegnungen, damit verbundenen Gesprächen und unerwarteten Einblicken in die südindische Kultur und Gesellschaft sowie in sehr unterschiedliche Gesellschaftskreise, von Dorfbewohnern über die indische Mittelschicht, Künstlern und Kulturschaffende. Überall wurde mir dank der guten Kontakte und des Engagements der Museumsleiterin Jasmin Eppert Tür und Tor geöffnet. Ich meine, einen besseren Einblick gewonnen zu haben, als es einem Touristen möglich wäre. Ich habe die Zeit genutzt, um viel zu reisen und mir diverse Kulturstätten anzusehen, z.B. das Weltkulturerbe aus dem 7. Jahrhundert in Mamalapuram. Zudem besuchte ich die Kunsthochschule in Chennai und verbrachte einige Tage in der Künstlerkolonie Cholamandal. September bis Oktober in Südindien ist keine Touristenzeit. Damit avancierten wir unfreiwillig zu einer „weißen Attraktion“ und wurden überall zu Fotoshootings angehalten. Witzig: Die Inder nannten uns „farbig“!

 

Aus künstlerischer Sicht besonders angetan haben es mir die jugendlichen Schulmädchen mit ihren Uniformen, Zöpfen und bunten Schleifen. Ich war immer mit der Kamera bewaffnet, um Schnappschüsse von den Mädels zu machen. Aus Zwecken der künstlerischen Betriebsspionage besuchte ich dann auch die ortansässige Mädchenschule in Tharangambadi mit 1500 Schülerinnen. Das ist nun auch das Hauptthema der Malerei – abgesehen von ein paar Kühen und Ziegen.

Bei diesem neuen Thema ist mir aufgefallen, dass dunkelhäutige Menschen im Kanon der Malerei ein eher seltenes Sujet sind. In Indien, hat man mir erklärt, wird traditionell und alternativ eine bestimmte Farbe, z.B. blau, statt der naturalistischen Hauptfarbe verwendet. Das ist also eine malerische Herausforderung für mich, für die es vor allem im europäischen Kontext kaum Vorbilder gibt.

 

Auch hat mir das Klima zu denken gegeben: krasse Sonne, Hitze, hohe Luftfeuchtigkeit, Starkregen. Erst vor Ort wird einem bewusst, dass im Prinzip nur bestimmte traditionelle Techniken bzw. Materialien, beispielsweise Textilkunst, Färberei oder Steinmetzarbeiten, den Herausforderungen des Klimas gewachsen sind. Meine Arbeiten mit Papier, aber auch die von mir verwendete Leimfarbe für Leinwandmalerei, sind für die klimatischen Bedingungen in Südindien ungeeignet und daher leider auch für die geplante Ausstellung in Tharangambadi. Zum aktuellen Zeitpunkt plane ich, stattdessen Arbeiten in Emaille bzw. Keramik anzufertigen, die neben dem Klima auch den Transport besser überstehen dürften.

 

Für meinen Kinderworkshop in Indien hatte ich mir einen Klassiker ausgesucht und ein Medium, das langsam aus der Mode gerät, mir aber immer noch viel bedeutet: Wir schreiben Briefe. Um die Sprachbarriere zu umgehen, bestanden die Briefe jedoch aus relativ wenig Text. Stattdessen bastelten wir Pop-Up-Karten. So nahm ich 11 Briefe der Kinder aus der Francke-Schule mit nach Indien, und 14 Kinder-Briefe schickten wir aus Indien per Post zurück nach Halle. Was eigentlich nur als Kinderprojekt gedacht war, hat sich in der Zwischenzeit zu einer neuen künstlerischen Leidenschaft weiterentwickelt.

 

So plane ich die Pop-up-Karten zu Pop-Up-Büchern (Künstlerbücher als Einzelstücke) weiterzuentwickeln. Das Medium scheint mir für die Verarbeitung bestimmter Reiseeindrücke, z. B. die indischen Häuser oder die allerorten anwesenden Haustiere, besser geeignet. An dieser Stelle hat mir nun der „Corona-Shutdown“ vorübergehend einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht, und ich muss mich noch etwas gedulden, bis ich alle Materialien, zum Beispiel die bunten Papiere aus Indien, beisammenhabe.

 

 

 

 

 

Beim Workshop in Tharangambadi. Foto: privat

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