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Keine Kompromisse

Die Leinwand markiert eine Grenze, einen harten Schnitt. Auf der einen Seite die Eltern, umschlungen als Einheit erkennbar. Auf der anderen Seite der Künstler, abgewandt. Auf dem Tisch neben ihm aber steht nur eine Tasse, Malereiutensilien fehlen. Er blickt in die Richtung, in die auch seine Eltern schauen. Überlegt er noch, wohin er sich wenden soll, Kunst oder Familie? Sucht er das Motiv, das seine Eltern betrachten? Die große leere Fläche hinter den Protagonisten ist in Brauntönen gehalten; die markante Leinwand aber scheint zu schimmern, verheißungsvoll. Gewinnen oder verlieren – das ist hier die Frage. Das Bild „Problem Eltern“, entstanden 1973/74, zeigt, was Harald Döring beschäftigt hat und was er immer wieder malte: die Beziehung der Menschen – häufig bei Paaren – zueinander. Ein zweiter Schwerpunkt seiner Kunst war die Natur, der er sich besonders nach seinem Rückzug in die Einsamkeit, nach Langenstein, zuwandte.

Die Entwicklung seines gesamten Schaffens wird eindrucksvoll deutlich in der Ausstellung „Harald Döring – Malerei, Zeichnung“, und genau das war das Ziel der beiden Künstlerkollegen Lutz Grumbach und Rolf Müller, die die Schau organisiert und kuratiert haben. Zu sehen sind 42 Bilder und etwa 30 Zeichnungen, die noch nie öffentlich gezeigt wurden. Dabei hat Harald Döring immer auch gezeichnet – intensiv ist er auf die porträtierten Personen zugegangen; der Betrachter sieht fast in einen Spiegel und erkennt doch Dörings Sicht.

Bekannt und geschätzt wurde er aber für seine Malerei; er wurde im In- und Ausland viel gezeigt, malte Auftragswerke. Dabei hat er es sich nicht leicht gemacht, er war nie angepasst, fertigte keine politischen Bilder. Kompromisse mit dem Staat gab es für ihn nicht. Dafür musste er zahlen: Die gewünschte Lehrtätigkeit wurde ihm nie gestattet.

Geprägt wurde Harald Döring sicher durch seinen Lehrer Willi Sitte. Aber auch durch Manet, Goya und noch viel mehr Francis Bacon, die er studierte und deren Vorbild in seinen Werken erkennbar ist, in „Der Sohn“ zum Beispiel oder eben in „Problem Eltern“. Aber Harald Döring ist feiner vorgegangen, sein Blick geht nach innen. Die große Attitüde war seine Sache nicht.

Heute sind viele seiner Bilder vergessen, darunter auch sehr gute. In Leuna ist noch eines seiner Auftragsbilder zu finden, im Kunstmuseum Moritzburg das Werk „Problem Eltern“. Weitere Werke finden sich in Privatbesitz, im Kunstmuseum in Schwerin, in Frankfurt/Oder, im DDR-Kunst-Archiv Beeskow und in einigen anderen Museen. Ein Werksverzeichnis existiert nicht. Lutz Grumbach und Rolf Müller haben eineinhalb Jahre lang Werke zusammengetragen; was sich ausleihen ließ, ist in der Ausstellung zu sehen. Die Auswahl umfasst die gesamte Schaffenszeit Dörings und seine Sujets: Landschaften, Menschen, seine wundervollen Stillleben.

Noch viel mehr Harald Döring ist zu sehen in dem hochwertigen Katalog mit fast 100 chronologisch geordneten Arbeiten auf 168 Seiten; die Entwicklung des Künstlers kann hier sogar noch besser nachvollzogen werden. Der Band erscheint parallel zur Ausstellung und wurde von der Kunststiftung Sachsen-Anhalt gefördert. Umrahmt werden die Abbildungen mit Texten von Rolf Müller (Halle), Gabriele Muschter (Berlin), Kornelia Röder (Schwerin), Lisa Jürß (Schwaan), Gerhard Wünscher (Halle)  und Rüdiger Giebler (Halle).

 

Der Katalog kann unter coq-art.eu bestellt werden zum Preis von 35 Euro. Preiswerter ist er in der Ausstellung zu erwerben. Sie ist vom 24. Juni bis zum 5. Juli mittwochs bis sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

Harald Döring: Problem Eltern. 1973/74. Öl auf Hartfaser. 103,5 x 170 cm.

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