Loading...

Kulturprodukt 2013

Interview mit den Initiatoren Torsten Illner, Andreas Theile, Rita Lass, Agnieszka Partyka, Stephan Hagedorn

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, einen neuen Rundgang zu starten?

Grundsätzlich war Kulturprodukt als Veranstaltung eine Bauchentscheidung, vielleicht etwas naiv und einfach drauf los. Florian Mücke und Andreas Theile hatten sich im letzten Jahr entschieden aus einer Atelierpräsentation etwas mehr zu machen, haben sich umgehört, Begeisterte und Mitstreiter gefunden und so hat sich ein kleines Kernteam gefunden, welches auch in diesem Jahr, erweitert um zwei Mitstreiterinnen, wieder aktiv geworden ist. Der Erfolg und die rege Begeisterung von Teilnehmenden und Besuchern beim »Kulturprodukt 2012« hat uns dann angestachelt, das »Kulturprodukt« auch 2013 wieder stattfinden zu lassen. Wir wollten nicht, dass es eine Eintagsfliege bleibt, sondern auch testen, ob sich aus dem »Kulturprodukt«  ein etablierter  Frühjahrsrundgang machen ließe.

Im letzten Jahr beteiligten sich am Rundgang über 80 aktive Künstler – in diesem Jahr werden noch viel mehr Teilnehmer erwartet, womit erklärt ihr euch diesen Erfolg?

In die Zeit des ersten »Kulturproduktes« fiel die Schließung der Produzentengalerie „dieschönestadt“ und die damit wieder entflammte Debatte um den Kunst- und Kulturstandort Halle. Ein bisschen Aktivismus tat da ganz gut und hob das Selbstvertrauen der hier in Halle aktiven Kreativen. Wie und was im Jahr 2012 lief, welche Erfolge die Teilnehmenden für sich im Kleinen verbuchen konnten und dass das »Kulturprodukt« nicht nur eine windige Idee ist, konnte sich erst im Vollzug und dann im Weiteren, erst im Nachgang erweisen. Viele Neue nehmen 2013 teil, weil sie von Bekannten und Freunden gehört haben, dass es sich lohnt, zusammen mit anderen etwas auf die Beine zu stellen. Denn bis auf den Überbau und die Plattform, die wir als Organisatoren bieten, sind vor allem die Teilnehmenden selbst aufgefordert den Rundgang zu gestalten. Und das hat ihnen 2012 wohl großen Spaß gemacht …

Ihr bezeichnet eure Arbeit als selbstorganisierte Arbeit an der Basis und schafft mit „Kulturprodukt“ einen Rahmen für Kunst- und Kulturschaffende, selbstbestimmt und autonom ihre jeweiligen Intentionen und Perspektiven gegenseitig und für Andere sichtbar zu machen und ihr Lebensumfeld aktiv zu gestalten. Würdet ihr euer Wirken auch als politische Arbeit bezeichnen?

Wir würden eher von „Lebensumfeld  aktiv mitzugestalten“ sprechen und davon, andere anzuregen, es uns gleich zu tun. Durch unser Studium an der Kunsthochschule Halle sind wir entsprechend gebildet, glauben aber, dass ein »Kulturbiotop« nicht nur aus Menschen mit Hochschulausbildung, nicht nur aus einer Galerienlandschaft und etablierten Kunstschaffenden besteht. In Halle gibt und gab es bereits eine Menge Projekte und Initiativen. Die in Halle lebenden Kreativen scheinen nicht müde zu werden, die Leerräume und Nicht-Orte zu nutzen und zu bespielen. Bereits im Vorfeld des Rundgangs schaffen wir Vernetzungen und bringen Menschen zusammen, die ohne unser Zutun wahrscheinlich nicht zusammengekommen wären. Als hier in Halle lebende Kreative haben wir auch eine Verantwortung gegenüber unseren Tätigkeitsfeldern und sehen es als wichtig an, wenn auch nur zum Teil, diese selbst zu gestalten. Das ist keine Parteipolitik, aber ohne Frage politisches Handeln. 

Wie ihr eben schon angesprochen habt, gibt es in Halle viele kulturell aktive Menschen, die sich zusammentun, um etwas für die Stadt zu bewegen, beispielsweise Corax und Postkult e.V., die sich selbst verwalten und ohne gefestigte institutionelle gesellschaftliche Strukturen erfolgreich sind – bietet Halle viel Freiraum und ist es deshalb ein guter Ort für künstlerisch aktive Freigeister und die Formung eines Kulturbiotops?

Freunde aus anderen Städten sind immerzu begeistert, wie viel Leerstand sie bei einem Besuch in Halle entdecken. Zunächst stößt das vielleicht ab, aber bei den in Halle-Aktiven scheint es eher Anreiz zu sein als Abscheu hervorzurufen. Wir haben uns im letzten Jahr überall umgehört und recherchiert, welche Projekte es bereits gab und stellten fest: wir sind weder die Ersten noch neu in unserem Engagement. Im Laufe der Zeit wird so ein Biotop sehr viel komplexer, indem Initiativen sich festigen und bestehen bleiben. Wir schaffen mit »Kulturprodukt« einen weiteren Baustein, eine Plattform, aus der über den Rundgang hinaus Kontakte und Zusammenarbeiten entstehen können. 

Sind durch Kulturprodukt interessante und längerfristige künstlerisch-kulturelle Kooperationen entstanden?

Vor allem wurden und werden neue Orte erschlossen. Zugegebenermaßen geht das häufig einher mit der künstlerischen und kreativen Erschließung des Lebensumfeldes. Es wäre nur zu viel und an dieser Stelle zu wenig Platz, um auf jede Einzelheit einzugehen. Nur so viel: Bereits im letzten Jahr lernten viele während des Rundgangs erstmals ihre Ateliernachbarn kennen. Menschlich und sozial schon mal ein Erfolg. Einige Häuser, wie z. B. das LaBim, Töpferplan 3 konnte durch das »Kulturprodukt 2012« das neue Profil als Kultur- und Ausstellungsraum präsentieren und noch stärker etablieren. In diesem Jahr präsentieren sich bereits bekannte und zum Teil besetzte Orte von einer ganz anderen Seite, z. B. der Club »Charles Bronson«, der eine Fotografie-Ausstellung zeigen wird. Über die Macher der Stadtführungen arbeiten wir als nicht-institutionalisierte Gruppe mit der MLU zusammen. Darüber hinaus haben wir uns als Team gefunden, wobei wir aus den unterschiedlichsten Bereichen kommen.  

Ihr sprecht davon, den Atelierrundgang  zu einen Frühjahrsrundgang etablieren zu wollen und habt die Veranstaltung „Kulturprodukt“ bewusst wieder auf das erste Maiwochenende gelegt, an diesem Wochenende findet auch der renommierte Galerierundgang in der Baumwollspinnerei Leipzig statt. Kann der Hallenser Atelierrundgang mit Leipzig mithalten, was macht das Kunstfest in Halle so besonders?

Es geht uns gar nicht um mithalten oder darum, eine Gegenveranstaltung zu organisieren. Wir betrachten Halle–Leipzig als eine Region und haben, trotz gegenteiliger Berichterstattung im letzten Jahr, immer auch an eine Zusammenarbeit gedacht und daran, dass die beiden Rundgänge irgendwann synergetisch zusammen kommen. Andererseits hat Halle tatsächlich einiges Anderes zu bieten als Leipzig. Allein durch die unterschiedlichen Studiengänge an den Kunsthochschulen und den dadurch bedingten verschiedenen Herangehensweisen, erwachsen sehr unterschiedliche Positionen. Die halleschen Positionen müssen sich hinter keiner etablierten Marke verstecken. Das umfangreiche Rahmenprogramm mit Modenschau, Stadtführungen, Filmvorführungen, Lesungen und Konzerten runden das »Kulturprodukt 2013« auch über die eigentliche Öffnungszeit noch ab.      

 

Kulturprodukt Halle – 3. bis 5. Mai 2013
Das Kunstfest wird unter anderem von der Kunststiftung Sachsen-Anhalt gefördert.

Weitere Informationen zur Veranstaltung:
www.kunststiftung-sachsen-anhalt.de/web/veranstaltungskalender/kulturprodukt

Stadtplan mit den Teilnehmern sowie Programm unter:
www.kulturprodukt-halle.de

Foto: Jörg Lipskoch

Zurück zur Übersicht