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Kunst aus Stoff, so noch nie gezeigt

Niemand weiß, wer die kunstvollen Quasten hergestellt hat. Frauen aus Italien, so wird vermutet, deren Namen nicht überliefert sind. Auch ist nicht bekannt, ob es Mustervorlagen für ihre Herstellung gab oder ob die Technik von Mund zu Mund, von Generation zu Generation weitergegeben wurde. In Heimarbeit wurden die Quasten hergestellt, möglicherweise in Venedig, im 16. Jahrhundert. Die aus Kordelfäden geflochtenen und geknoteten Bündel waren einst begehrte Verzierungen von Kleidungsstücken und Wohntextilien. Sie befinden sich in der Textilsammlung des Kulturhistorischen Museums Magdeburg. Den Eintragungen im Inventarbuch lässt sich entnehmen, dass ein Großteil von ihnen 1892 von Wilhelm von Bode anlässlich des Aufbaus einer städtischen Kunstgewerbesammlung in Magdeburg erworben wurde. Seit ihrem Eingang in die Sammlung des Museums lagern sie im Depot und waren nicht für ein Publikum zugängig.

 

16 von ihnen sind in der Ausstellung „Aus der Nähe betrachtet“ nun im Museum zu sehen. Kleine Leinenquasten vorwiegend, einst als Schmuckstücke an der Kleidung getragen. Im Magdeburger Rathaus ist als Leihgabe des Museums ein Bild von Otto von Guericke zu sehen, der an seinem Hemd eben solche Quasten trägt!

 

Die Stücke sind allesamt geknotet, aus Baumwolle und Leinen. Ihre Farben sind meist verblasst. Manche von ihnen wurden kombiniert mit Stücken kunstvoll bestickten Seidenstoffes. Die größeren unter den Quasten, möglicherweise als Züge an Vorhängen oder Klingeln genutzt, enthalten einen Holzkern oder Spiralen mit Metalleinlagen. Keine Quaste gleicht bei genauem Hinschauen wirklich einer anderen, allesamt aber sind sie kleine Kunstwerke.

 

Zur 1200 Exponate umfassenden Textilsammlung des Kulturhistorischen Museum gehören außerdem 63 aus Ägypten stammende spätantike Stofffragmente aus dem 4. bis 6. Jahrhundert. Sie sind die ältesten Stücke der Sammlung. Im 19. Jahrhundert wurden in Nordafrika große Wüsten-Gräberfelder, die Mumien aus dem 3. bis 8. Jahrhundert beherbergten, entdeckt. Im Rahmen von „wissenschaftlichen“ Grabungen wurden von den gefundenen Textilien meist nur die Zierelemente mitgenommen und diese häufig noch mehrfach geteilt und so auf den Kunstmarkt gebracht Die Fragmente aus dem Besitz des Museums in Magdeburg sind vergleichsweise klein und sehr verschieden. Sie sind in sechs unscheinbaren, 29 mal 39 Zentimetern großen Holzrahmen dicht und zum Teil überlappend montiert. Die Montagen wurden 1889 direkt vom Kunsthändler, Sammler und Archäologen Robert Forrer angekauft und seitdem nicht verändert.

 

Die koptischen Stoffreste muten in ihrer Anordnung an wie kleine Mosaike. Auch ihre Farben sind weitestgehend verblasst oder verändert, ihre Gestaltung aber ist gut zu erkennen. Figürliche Abbildungen sind darauf oder Buchstaben. Wozu die Stoffstücke einst gehörten, kann nur vermutet werden. Ein Teil, einst purpurfarben, war dem Anschein nach Teil einer Tunika.  Andere Stücke dienten möglicherweise als Mumienverhüllungen.

 

Die Quasten und die koptischen Stoffreste sind Teil der Ausstellung „Aus der Nähe betrachtet“. Sie werden präsentiert im mittleren von drei Räumen. Die Künstlerinnen Bärbel Schlüter und Juliane Laitzsch haben sich den bisher noch nicht der Öffentlichkeit präsentierten Stücken auf ganz unterschiedliche Weise genähert. In den beiden benachbarten Räumen stößt der Betrachter wieder auf sie – in ganz unerwarteter Weise.

 

 

Leinenquaste, Renaissance, aus der Textiliensammlung des Kulturhistorischen Museums Magdeburg

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