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Büste des Antinoos – Sophie Baumgärtner: „lorica torquis“

Regelrecht fasziniert ist Sophie Baumgärtner bei der Herstellung von Objekten, denen ein kreatürlicher Charakter innewohnt. Mal mehr, mal weniger ergeben sich für sie wesenhafte Assoziationen. Für den Betrachter, den Träger oder sein Gegenüber können ihre Objekte magische Momente hervorrufen. Zum Beispiel bei der Reihe der Hybriden, der großen, käferhaften Broschen – hier wird der Eindruck durch ihre prägnante Größe und durch die verschiedenen Materialkonstruktionen erzeugt. Ihre Ketten hingegen spiegeln das Wesen der Schlange, ihren besonderen Körperbau, ihre Bewegung und Erscheinung. Und die ambivalenten Gefühle, die das Tier auslöst. Für Sophie Baumgärtner drücken die Schmuckstücke eine Art lebendiges Ganzes aus – mit ihrer Ausstrahlung, dem seidigen Glänzen, der rhythmischen Bewegung und dem Klang der einzelnen Teile.

Das Lockende der Figur, das Betörende, mal Gutes und mal Verderben Bringendes, ihre Wandelbarkeit im Wesen wie in ihren Antrieben, findet sich auch in „lorica torquis“. Durch die Verwendung von Edelstahl erhält die Kette durch die wahrgenommene Härte und Kühle einen robusten Anschein. Kühl und hart ist der Charakter, der zusammen mit der stark assoziierten Schuppenform der einzelnen gereihten Teile das Wesen des Halsschmuckes ausmacht. Durch eine Ösenverbindung erzeugte Sophie Baumgärtner eine fließende und sehr haltbare Beweglichkeit; optisch entstand so eine Art rippiger Grundkörper zwischen den Metallschuppen. Die enorme Menge an Teilen, die die Künstlerin für ihre Ketten benötigte, schnitt sie mit Hilfe eines 3D-Programmes per Laser aus. Trotz des Vorteils der maschinell ausgeschnittenen Formen waren die Nacharbeit der Ränder, das Zusammenbiegen der einzelnen Schuppen, die Oberflächenbehandlung und die anschließende Ösenverbindung enorm zeitaufwendig.

So also entstand „lorica torquis“ – lang und schlängelnd, fein und sinnlich, glatt fallend oder struppig widerspenstig. In jedem Fall aber: lockend.

 

Die Kette hängt auf der Büste des Antinoos, Marmor, um 130 n. Chr. (Cambridge, Fitzwilliam Museum, Gipsabguss)

Antinoos wurde um 110 n. Chr. in Bithynien, einer römischen Provinz in Kleinasien, geboren.

Auf einer seiner Reisen durch das römische Reich begegnete Kaiser Hadrian um 128 n. Chr. in Bithytien dem herangewachsenen jungen Knaben, dessen Ruf seiner Schönheit ihm vorauseilte. Um Hadrian, verheiratet mit Vibia Sabina, der Nichte des Kaisers Trajan und der Hadrian auf seinen Thron hatte folgen lassen, war es geschehen. Er verliebte sich auf der Stelle in den anmutigen Jüngling.

Antinoos war fortan Hadrians ständiger Begleiter und, so munkelt man, auch sein Geliebter. Aber das Glück währte nicht lange. Auf einer Schiffsreise der beiden durch Ägypten ging Antinoos bei einer Fahrt auf dem Nil nahe des Städchens Besa aus ungeklärten Umständen über Bord. Jede Hilfe kam zu spät, und der Jüngling ertrank mit gerade mal 20 Jahren in den Fluten.

Es ist müßig zu klären, was die möglichen Gründe für diese Tragödie waren, ob Unfall oder eine politische Intrige. Der Legende nach soll Antinoos sogar den Freitod gewählt haben, um sich für seinen geliebten Hadrian zu opfern. Eine Wahrsagerin habe ihm prophezeit, die von ihm eingesparte Lebenszeit werde dem Kaiser zugeschlagen. Welch edles Motiv als Zeichen großer Liebe!

Hadrian war untröstlich und fiel in tiefe Trauer. Er ließ sich von Büsten und Abbildern seines Gefährten umgeben. Marmorbüsten, Bronzen und Münzporträts mit dem Konterfei des Schönen wurden im ganzen Land verteilt. Sie zeigen ihn als anmutigen Jüngling mit etwas molligen Zügen und reicher Lockenpracht. Damit nicht genug: An jenem Ort, an dem er zu Tode gekommen war, gründete Hadrian die Stadt Antinoopolis. Den Riten der alten Ägypter folgend, die im Nil Ertrunkene als Gottheiten verehrten, erhob Hadrian seinen Geliebten zur Gottheit und richtete jährliche Festspiele aus. Doch auch der Antinooskult war für Hadrian nur ein wenig tröstlich, er trauerte zeitlebens um seinen geliebten Gefährten.

23. März 2020

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