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Christiane Budig

Glaskünstlerin

Aufenthaltsstipendium Ahrenshoop Oktober 2024

Schwelle / Buhnenköpfe

Das Glasobjekt „Schwelle“ ist eine Art Fußabtreter aus Glas mit der Inschrift „welcome“. Es besteht aus über 6200 geschnittenen und verklebten kleinen Glasstreifen. Die dazugehörige Videoinstallation zeigt das Objekt am Strand. Auf den ersten Blick vermittelt der „Fußabtreter“ durch seine Inschrift „welcome“ eine einladende Botschaft, die den Betrachter dazu einlädt, einen Raum bzw. einen Ort zu betreten. Doch die Wahl des Materials – Glas – bringt eine subtile Komplexität mit sich. Glas ist sowohl zerbrechlich als auch transparent, was symbolisch für die Fragilität von sozialen Beziehungen und die oft durchsichtigen, aber dennoch verletzlichen Strukturen innerhalb einer Gemeinschaft steht. In einer Zeit, in der gesellschaftliche Spannungen durch Themen wie Migration, Identität und Zugehörigkeit verstärkt werden, wird die Inschrift „welcome“ zu einem ambivalenten Statement. Sie fordert den Betrachter heraus, über die Bedeutung von Gastfreundschaft und Exklusion nachzudenken. Wer wird wirklich willkommen geheißen? Und unter welchen Bedingungen? Der „Fußabtreter“ fungiert somit als kritisches Kunstobjekt, welches seinem Zweck durch das spitze, verletzende und zerbrechliche Material enthoben wurde und dadurch die Widersprüche und Herausforderungen unserer Gesellschaft reflektiert. Die Transparenz des Glases kann auch als Metapher für die Offenheit und den Dialog zwischen verschiedenen Kulturen und Gemeinschaften interpretiert werden. Gleichzeitig birgt es die Gefahr des Zerbrechens, was die Fragilität von Frieden und Harmonie in einer pluralistischen Gesellschaft verdeutlicht. In diesem Sinne wird der „Fußabtreter“ zu einem Symbol für die Balance zwischen Einladung und Abgrenzung, zwischen Integration und Isolation. Die Präsentation des Objekts „Schwelle“ inmitten eines Raumes und im Video am Stand, enthebt den „Fußabtreter“ von seiner erdachten Funktion. Er wird somit zum nicht definierten Objekt und lässt weitere Assoziationen zu. Diese Uneindeutigkeit erweitert den Möglichkeitsraum für Gedanken und Diskussionen. Das Objekt „Schwelle“ lädt ein über die Art und Weise nachzudenken, wie wir als Gesellschaft miteinander umgehen und welche Werte wir hochhalten. Es ist ein Kunstobjekt, das sowohl zum Nachdenken als auch zur Diskussion über die Herausforderungen und Möglichkeiten einer inklusiven Gesellschaft einlädt. Neben dem Glasobjekt entstanden auch Frottagen von Buhnenköpfen, die zeichnerisch ergänzt wurden. In den Zeichnungen wird die Buhne zur Metapher für Schutz und Stabilität, die sowohl die physische Küste als auch das Leben der Menschen, die in ihrer Nähe wohnen, bewahrt. Darüber hinaus reflektieren die Buhnenzeichnungen die Beziehung zwischen Mensch und Natur. Die Buhnen sind nicht nur passive Strukturen, sondern sie sind auch Orte des Lebens und der Interaktion. Sie bieten Raum für Erholung, Reflexion und Gemeinschaft. In diesem Sinne wird die Buhne zu einem Symbol für die Harmonie zwischen Mensch und Umwelt, die in einer zunehmend hektischen Welt von großer Bedeutung ist. Die grafischen Ergänzungen der Holzfrottagen mit Linien, Formen und Schattierungen transferieren Realitäten in fiktive Welten, die der Künstlerin doch mit seinen Strukturen seltsam vertraut erscheinen. Die sanften Kurven und klaren Flächen vermitteln ein Gefühl von Ruhe und Gelassenheit, während die dynamischen Wellen und offene Strukturen die ständige Bewegung und Veränderung der Natur aufzeigen. Diese Dualität zwischen Stabilität und Veränderung spiegelt die Komplexität des Lebens an der Küste wider. Die Zeichnungen von Buhnenköpfen laden den Betrachter ein, über die Bedeutung von Schutz, Gemeinschaft und Entspannung nachzudenken. Sie sind nicht nur eine Hommage an die Küstenlandschaft, sondern auch eine Reflexion über die menschliche Erfahrung in einer sich ständig verändernden Welt. Die Buhnen stehen als Symbole für die Suche nach Sicherheit und Frieden inmitten der Herausforderungen des Lebens und erinnern daran, dass es in der Natur und in der Gemeinschaft Orte der Ruhe und des Schutzes gibt. Gleichzeitig laden diese Zeichnungen ein, Vertrautes und Gewohnheiten zu hinterfragen, Träume zuzulassen und offen zu sein für Unbekanntes und Fremdes. Somit schließen die Zeichnungen inhaltlich den Bogen zum Glasobjekt „Schwelle“, welches sich ebenso mit dem Unbekannten und Fremden in uns selbst und auf gesellschaftlicher Ebene auseinandersetzt.

Arbeitsstipendium
November 2006 – April 2007

HaltLos

Schon seit längerem nutzt Christiane Budig das Material Glas für ihre Installationen und testet seine Bearbeitungsmöglichkeiten und -grenzen aus. Durch Kombination mit anderen Werkstoffen wie Stoff, Metall, Asphalt oder Gummi erzielt die Künstlerin überraschende Wirkungen. Die Sprödigkeit und Fragilität des Glases, seine von der Künstlerin wohlkalkulierte Lichtbrechung, -durchlässigkeit oder -undurchlässigkeit werden in ihren Arbeiten zu Metaphern menschlichen Seins, zu Metaphern der Verletzbarkeit, Öffnung, aber auch Abgrenzung. So auch in der Installation HaltLos. Christiane Budig gestaltete in Glas sieben Paar bandagierte Füße, angeordnet auf und neben Glastafeln mit skriptural wirkenden Kritzeleien. Unmittelbar steht der Gedanke an Balletteusen, meist zarte Wesen, die sich für ihre Kunst schinden. Doch die Installation wiest darüber hinaus: Sie ist eine Metapher für den oft verschlungenen Weg durch das Leben: für Phasen, in denen der ruhige Lebensfluss blockiert (Halt) oder beschleunigt (Los) ist. Es bleiben die Wegmarken, die jedem nur dechiffrierbar für das eigene Leben sind.

Vita
1969 in Luckenwalde geboren | 1994 – 1996 Studium an der Burg Giebichenstein – Hochschule für Kunst und Design Halle, Studienrichtungen Glas/Keramik/Design | 1996 – 2002 ebd. Studium im Fachbereich Fachbereich Glas/Malerei/Grafik, Diplom  | 2003 Internationaler Glaskunstpreis Jutta Cuny-Franz-Award, Düsseldorf und 1. Preis Gestaltungswettbewerb in Zorbau | 2005 Wilhelm von Kügelen-Stipendium der Kreissparkasse Bernburg | 2006 Einladung als Artlecture der Glass Art Society nach St. Louis (USA) | 2006 – 2008 Aufbaustudium der Kunsttherapie an der HBK Dresden | 2018 Preisträgerin des Halleschen Kunstpreises | 2019 Stahlplastik „Give me a shelter“ gemeinsam mit Bert Hafermalz anlässlich des Bauhausjubiläums, Diakonie-Krankenhaus Harz in Elbingerode, gefördert durch die Kunststiftung Sachsen-Anhalt | 2020/21 1. Platz des Kunstwettbewerbs zur Gestaltung des Radleuchters im Magdeburger Dom | 2021/22 1. Platz des Wettbewerbs zur Gestaltung eines Sagenbrunnens in Eilenburg | zahlreiche Ausstellungen u. a. in Halle, Leipzig, Magdeburg, Berlin, Bornholm (Dänemark), Haacht (Belgien) und Prag | lebt in Halle (Saale) (Stand: August 2025)