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FIND INNER PEACE! Unter Druck

Ursprünglich wollte Deplphine Bishop Rituale und Übergangsobjekte zur Unterstützung und Stressbewältigung erarbeiten. Insgesamt sind drei dieser Objekte entstanden, die von der Künstlerin selbst getestet wurden. Nach einer Weile der täglichen Achtsamkeitsroutine bemerkte sie, dass ihre „Anti-Stress“-Objekte einen gegenteiligen Effekt ausübten. Sie setzen sie zusätzlich unter Druck, da sie ihr permanent zu sagen schienen, „Nimm Dir Zeit für Dich“, „Beschäftige Dich mit mir/dir“. Von Benutzung zu Benutzung machten sie die Stressbewältiger nervöser. Sich nur sieben Minuten Zeit zu nehmen, um in eine Kerze zu gucken, während nebenan eine Legokiste umgeworfen wird oder jemand am Pullover zieht, wirkte auf sie zusehends absurd. Das Konzept drohte sich selbst zu persiflieren, anstatt beim Abbau von Stress zu unterstützen. So kam sie zu dem Schluss, dass das Projekt umgekrempelt werden muss, denn wirklich gestresste Menschen mit wenig Zeit brauchen keine zusätzlichen Objekte, die stets dazu auffordern bedient und bespielt zu werden, um Entspannung zu spüren. In Gesprächen kristallisierte sich heraus, dass Stress auch v. a. durch den Wunsch zur Selbstoptimierung entsteht: Ganz nach dem Motto: „Produktiver arbeiten heißt mehr leisten! Noch fitter werden und noch schöner!“. Die verschiedensten Anti-Stress-Tools sind ihrer Meinung nach dazu bestimmt, noch effektiver zu werden. Dieser Selbstoptimierungswahn geht so weit, dass man bei manchen Menschen inzwischen von dem Begriff der „toxischen Positivität“ spricht. Besonders problematisch wird es, wenn die Erwartung herrscht, auf Stress stets mit positiver Haltung und Gefühlen der Gelassenheit reagieren zu müssen, um als resilient und besonders belastbar zu gelten. Durch solche medial geprägten Bilder wächst der Druck auf die Psyche. Bezeichnenderweise erscheinen gerade zu diesem Zeitpunkt besonders viele Zeitschriften und Ratgeber dazu. Diese Flut an Tipps, Tricks, Mags, Apps, Vlogs, Instachannels, … „um dich einfach und schnell wieder stressfrei zu fühlen“ hat die Künstlerin in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt. Nach dem Prinzip „Diät-Ratgeber“ müssen mit jeder weiteren Ausgabe, neue ungesehene Trends und super „Self-Care“-Rezepte serviert werden, wie man nun wirklich zu sich selbst finden kann. Wie soll man all diese Ratschläge befolgen können, und dabei noch entspannt bleiben. So entstand die Idee zur auditiven Arbeit „Find inner peace!“. Delphine Bishop hat dazu Anti-Stress-Beiträge gesammelt, sortiert, collagiert und schließlich neu zusammengefügt, aufgenommen und eingesprochen im Studio zusammen mit dem Synchronsprecher Johannes Walenta. Gedacht ist diese Arbeit als eine raumgreifende oder raumintegrierte Audio-Installation, welche die Gäste dazu anregen soll, über ihre eigenen Stressbewältigungsmechanismen nachzudenken und diese je nach Interpretation kritisch zu hinterfragen. Ziel der Arbeit ist es, die Absurdität von „Anti-Stress-Ratschlägen“ aufzuzeigen und wie kontraproduktiv „positiver Stress“ werden kann, wenn wir es auf die Spitze treiben.
Die Installation baut nach und nach Druck bei den Teilnehmenden auf, obwohl sie zu Beginn ganz Gegensätzliches verspricht. Die Installation entspricht dabei den stereotypen Vorstellungen eines Heilsversprechens in Form eines Erholungsortes ähnlich einem Saunaruhebereich. Zu Beginn des auditiven Hörspiels sind sanfte Atemgeräusche zu hören, wie man sie aus Meditationsübungen kennt. Es dauert eine Weile, bis der Sprecher beginnt. Die Stimme gibt Tipps, wie Stress abgebaut werden kann: „Einfach mal lächeln, auch wenn dir gar nicht danach ist, die Glücksmomente kommen dann wie von alleine …Oder schnell mal einen Power-Napp zwischendurch machen … Mindestens jeden Tag acht Minuten Meditieren und eine tägliche Yogaroutine finden … Dich gesund ernähren, wenn möglich Vegan, Milchprodukte sind Gift für deine Nerven! … „. Was als angenehmer Monolog beginnt, nimmt schon bald an Fahrt und Tempo auf. Die Ratschläge werden immer schneller den Zuhörenden vorgetragen, es wird hektischer, es wird widersprüchlich … Langsam kommt das Erwachen und die Zuhörenden werden aus der entspannten Atmosphäre geholt, indem sie damit konfrontiert werden, was sie nicht alles tun müssten, um ihren Stress los zu werden. Auch dem Sprecher geht zum Ende des Hörspieles nahezu der Atem aus. Die Laufzeit beträgt 6:30 min. Die Installation soll folgende Fragen thematisieren: Ist es immer notwendig in jeder freien Minute eine weitere vielversprechende Entspannungstechnik einzubauen? Wie viel Zeit und Geld investieren wir am Ende in die Vision eines sportlicheren, entspannteren, besseren, leistungsfähigerem zukünftigen Ichs? Hindern uns diese Tätigkeiten eventuell eher im hier und jetzt zu verweilen? Entspannen sie uns oder setzen sie uns mehr unter Druck? Ist es nicht auch mal in Ordnung, einfach eine schlechte Serie zu gucken und dabei eine ungesunde Tüte Chips zu essen, ganz ohne schlechtes Gewissen?



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