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Überrascht von Kunst und Raum, immer wieder

Interview mit Dr. Ines Janet Engelmann, Kuratorin der Ausstellung

Kunststiftung: Elf Stipendiaten unter einem Thema zusammenzufassen, ist sicher nicht leicht. Wie kam es zu „Verwandelt?“

Ines Janet Engelmann: Die Stipendiatenausstellungen sind ja immer Zusammenstellungen von Werken, deren Entstehung durch die Kunststiftung gefördert wurde. Es gibt also einen bestimmten Pool, aus dem auszuwählen ist, und zwar so, dass die Kunst der gemeinsam Ausstellenden und auch das Thema sich möglichst gegenseitig erhellen. Wir brauchten bei der Vielfalt der Gattungen einen Titel, der möglichst alles zusammenfasst. „Verwandelt“ schafft das. Es ist ein offener Titel – Kunst verwandelt ja die Realität immer durch die individuelle Perspektive der Künstlerin oder des Künstlers.

Können Sie Beispiele für Verwandlungen aus der Ausstellung nennen?

Zum Beispiel die „New Angels“ von Hermann Grüneberg. Engel sind in der Ikonographie auf ein bestimmtes Wesen festgelegt. Im Bewusstsein der meisten sind sie freundlich und lieblich. Die „Angels“ von Hermann Grüneberg sind ganz anders. DURA wiederum friert in „Nosedive“ den Moment ein, in dem ein Schwan abstürzt, er verzweifelt versucht, sich wieder in die Lüfte zu schwingen – eine Momentaufnahme, wie man sie sonst nur aus der Fotografie kennt. Ansichten aus dem Saaletal vewandelt der Grafiker Steffen Braumann. Er verwebt sie mit fantastischen Wesen, mit Mensch und Tier. Ganz anders sind die Landschaftsdarstellungen Simone Distlers: Bei Steffen Braumann die überbordende Fantasie, bei ihr die Reduktion.

Das ist nun fast die 25. Ausstellung, die Sie kuratiert haben, neben der Herausgabe von drei Katalogen für die Kunststiftung und der Betreuung von Wettbewerben. Kann Sie noch etwas überraschen?

Überraschen? Ja, immer. Da sind zum einen die Kunstwerke selbst, die immer eigenständig, neu sind. Zum anderen ist da ihre Wirkung im Raum. Ich kenne die Ausstellungsmöglichkeiten in den Räumen der Kunststiftung inzwischen ziemlich gut. Doch obwohl ich vor dem Ausstellungsaufbau jedes Mal die Arbeiten tage- (und nächtelang) virtuell hin- und herschiebe, sind wir dann vor Überraschungen, wenn die Kunst im Raum steht, nicht gefeiht. Sie wirkt dann manchmal ganz anders, viel kleiner, viel größer, und der ganze Plan ist zunichte. Da heißt es dann, flexibel zu reagieren, was manchmal schmerzlich für alle Beteiligten ist.

Was hat Sie in der aktuellen Ausstellung besonders überrascht?

Einiges. Zum Beispiel die Arbeiten von Judith Runge – der Materialmix und die Tatsache, dass ihre Objekte zunächst eine heitere Anmutung haben, auf den zweiten Blick aber verstören und auf ein wichtiges Anliegen – Vermüllung – aufmerksam machen. Überrascht hat mich auch die Arbeit von Josefine Cyranka – ihre „Landschaft aus Stein“, die in ihrer Leere sehr eindrücklich ist und viel monumentaler wirkt, als ich es von meinem Besuch in ihrem Atelier in Erinnerung hatte. Und auch Jenny Rempels Arbeit „Liebesgedicht an eine Maschine“, in der sie Selbstzweifel am Künstlerdasein im Stil eines Comics thematisiert. Dieses zweidimensionale Medium verräumlicht sie in ein Relief. Anna Helms wunderbare, kostbare Bücher faszinieren mich auch sehr – besonders das großformatige Werk „Böses Wasser“ nach einem Albtraum von Albrecht Dürer. Der gelaserte Text, die Farben!

Handelt es sich bei sämtlichen Arbeiten um Arbeitsstipendien?

Fast. Zwei der Künstlerinnen, Jenny Rempel und Josefine Cyranka, haben nach dem großen Brand ihrer Ateliers im Dezember 2017 ein Unterstützungs-Stipendium von der Kunststiftung erhalten.

Sind Künstler dabei, die während des Stipendiums ganz neue Wege beschritten haben?
Ja: Die Grafikerin Sarah Deibele hat erstmals mit Emaille gearbeitet, die Holzbildhauerin Daniela Schönemann mit Acrystal und Epoxidharz, die Malerin und Grafikerin Hanna Sass schuf experimentelle Fotografien unter Beibehaltung eines Themas, das sie schon jahrelang begleitet: Porträts. Genau dafür sind die Stipendien ja auch gedacht: Die Künstler sollen in Ruhe Neuland betreten oder Thematiken vertiefen können.

Ines Engelmann, Kuratorin und Kunsthistorikerin

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