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Aus der Nähe betrachtet von Juliane Laitzsch und Bärbel Schlüter

In drei angrenzenden Räumen ist die Ausstellung „Aus der Nähe betrachtet“ im Kulturhistorischen Museum Magdeburg untergebracht. Im Zentrum, einem abgedunkelten Raum, sind Teile der Textiliensammlung des Museums zu sehen, die Ausgangsobjekte für die Betrachtungen der Künstlerinnen. Davon ausgehend, öffnet sich nach zwei Seiten je ein lichtdurchfluteter Saal; und darin nun sind die Werke der beiden Künstlerinnen zu sehen, die sich auf ganz unterschiedliche, überraschende Weise den historischen Stoffen genähert haben.

Die künstlerische Intervention Bärbel Schlüters widmet sich einer kleinen Gruppe von 16 Quasten aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Die Künstlerin, die häufig installativ arbeitet, hat dabei vor allem die Aufbewahrung der Stücke interessiert. Wie sind sie untergebracht? Woher stammen sie? Was hat sie als Sammlungsobjekte interessant gemacht? Bärbel Schlüter eröffnet diesen Blickwinkel, indem sie die Inventarkarten des Museums zeigt; diese enthalten nicht nur Notizen, sondern auch detailgetreue Abbildungen der Objekte – wichtig schließlich für ihre Wiedererkennbarkeit.

Ästhetisch am interessantesten sind die großen Tableaus, auf denen die textilen Schmuckstücke aus der Renaissance in ihrer alltäglichen Umgebung gezeigt werden. In einen Kokon aus Seidenpapier eingehüllt, seit Jahrzehnten verborgen und nun plötzlich in Licht getaucht liegen sie dort, ein nahezu anrührendes Bild. Einige der Quasten zeigt Bärbel Schlüter noch einmal auf großformatigen Abzügen und ermöglicht so einen genauen Blick nicht nur auf die Stücke selbst, sondern schärft ihn auch für das Kunsthandwerk – für die kleinen Knoten und Schlingen, die Farbigkeit und die Stoffe. Ein Blick, der beim bloßen Betrachten der recht kleinen Originale so kaum möglich wäre.

Wiederum eine ganz andere, neue Präsentationsform ist Bärbel Schlüter gelungen, indem sie einige der Quasten mit dem 3D-Drucker in zweifacher Vergrößerung reproduziert hat. Wie verblasste Korallen muten die Stücke an, perlmuttern schimmernd liegen sie in den Vitrinen und sind kaum wiederzuerkennen.

 

Einem anderen Teil der Textiliensammlung des Museums, koptischen Stoffen, hat sich Juliane Laitzsch gewidmet. Die Bildhauerin, Stipendiatin der Kunststiftung Sachsen-Anhalt und schon lange von Textilien fasziniert, hat sich den antiken Stücken von vielen Seiten genähert. Da wären zum einen die stark vergrößerten Zeichnungen einzelner Fragmente, Muster, auch Fehlstellen in den Originalen. Juliane Laitzsch hat sie auf Baumwollstoff gezeichnet und durch die Sichtbarmachung winzigster Details eine „Schule des Sehens“ eröffnet. Was sehe ich da eigentlich? Auf der Suche nach der Antwort hat die Künstlerin auch die Rückseiten der Rahmen aus dem 19. Jahrhundert, in denen die antiken Stoffstücke mosaikartig angeordnet sind, betrachtet. Und dabei festgestellt, dass entgegen der ersten Wahrnehmung ein jeder unterschiedlich ist.

Der Unterschiedlichkeit nicht nur der Stoffe selbst, sondern auch ihrer Betrachtung und Beschreibung hat sich Juliane Laitzsch in einer weiteren Bildserie gewidmet. Aussagen von Wissenschaftlern hat sie dort einander gegenübergestellt, deren Widersprüchlichkeit sie faszinierten.

Wiederum einen neuen Blick eröffnet die Künstlerin mit der Integration des Ölbildes „Der Berg Sinai“ von Eugen Bracht (1842-1921), einem Landschaftsmaler, der selbst zweimal in Ägypten war und wie Juliane Laitzsch auch seine Bilder im Atelier gemalt hat. Jenes Atelier selbst hat die Künstlerin ebenfalls gezeichnet, nach Fotos. Faszinierend daran: die Fülle der Textilien im Raum. Teppiche, Decken und lange Vorhänge und daran: Quasten.

Im Rahmen eines Arbeitsstipendiums der Kunststiftung war Juliane Laitzsch in Vorbereitung des Projektes in Kairo, um zu sehen, was die Magdeburger Textilien mit ihrer Herkunft verbindet. Fotografien der Stoffe aus dem Koptischen Museum hat sie in die Ausstellung integriert.

 

Für die Schau im Magdeburger Kulturhistorischen Museum hätte es keinen besseren Titel als „Aus der Nähe betrachtet“ geben können. Vielleicht noch „neu betrachtet“. Oder „anders“. Allein die  originalen Textilien, die bislang der Öffentlichkeit noch nie präsentiert wurden, sind faszinierend. Die Herangehensweise der beiden Künstlerinnen an das Projekt, ihre Auseinandersetzung mit dieser Form des Kunsthandwerks aber ist fesselnd.

Ausstellung: "Aus der Nähe betrachtet"; alle Bilder: Bernd Borchardt

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