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Die Kugel geht immer

Zuerst war es nur eine Ansammlung von vielerlei, inzwischen gibt es mehrere Sammlungen: Comics, Platten, Kassetten, Weihnachtsbaumschmuck. Der Übergang sei fließend gewesen, sagt Torsten Illner, der sich selbst inzwischen eine „leichte Manie“ bescheinigt. Der freie Grafiker mit Lehrauftrag an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle hat daselbst Glaskunst studiert und demzufolge ein Interesse am Glas schon seit vielen Jahren. Die Hemmschwelle, Weihnachtsschmuck zu sammeln, sei also niedrig gewesen, sagt er. „Dabei interessieren mich die formellen Entscheidungen zur Reduktion: Eine Kugel wird zunächst in eine bestimmte Form geblasen, bleibt dann aber immer noch eine Kugel.“ Ob etwas gut oder schlecht aussieht, was der eigentliche Inhalt ist – fast egal. Die kulturelle Herkunft des Schmucks ist interessant, die Zeit seiner Entstehung. „Es gibt natürlich Unterschiede zwischen altem und neuem Schmuck oder zwischen der Herkunft aus Deutschland oder Osteuropa“, so Torsten Illner. Die Stücke von heute, zum Beispiel, würden sich aufgrund der Möglichkeit der maschinellen Herstellung in viel mehr Formen präsentieren. Dabei seien in Deutschland christliche Motive vorherrschend, in Osteuropa eher solche aus der Natur, Tiere vor allem.

500 Einzelstücke aus Glas besitzt Torsten Illner inzwischen, erworben vor allem bei ebay oder in Auktionshäusern. Bei ihm sieht es das ganze Jahr über ein wenig weihnachtlich aus, die Figuren sind an Schnüren aufgehängt; ähnlich wie an einer Bilderwand werden sie auch immer mal gewechselt. Zur Weihnachtszeit rüstet Torsten Illner aber noch einmal auf, dann würde, sagt er, wirklich jeder Nagel in der Wohnung genutzt, um ein Schmuckstück daran aufzuhängen. Ausgerechnet aber dem Klassiker verweigert er sich: „Ich habe es noch nicht geschafft, einen Baum zu schmücken. Ich lehne diese Tradition ab; ich möchte nicht, dass wegen mir ein Baum geschlagen wird.“

Weihnachtsbaumschmuck ist eine Populärkultur, das Angebot richtet sich nach der Nachfrage, dementsprechend groß ist es. „Die Kugel geht immer“, sagt Torsten Illner“, auch die klassischen Motive wie Schnee- oder Weihnachtsmann.“ Es gibt aber, wenn man nur lange genug sucht, ausgefallene, ja trashige Varianten. Torsten Illner besitzt zum Beispiel eine grüne Gurke, die früher in den grünen Baum gehängt wurde. Wer sie fand, der bekam als Belohnung eine extra Süßigkeit. In der Sammlung befinden sich Kugeln in Form von Autos, Tieren oder Menschen aus bestimmten Berufsgruppen wie Arzt oder Koch. Torsten Illner besitzt eine Kicker-Figur, die er vor vielen Jahren in einer Kramkiste in Lauscha – dem traditionsreichen Glasbläser-Örtchen – gefunden hat, hergestellt von Lehrlingen als Scherzform. „Am skurrilsten ist eine Maria mit dem Jesuskind im Arm, überzogen mit sehr viel Glitter, wirklich schräg“. Torsten Illner räumt auch gleich noch mit einer Fehleinschätzung unsererseits auf: Die Figur auf unserem Foto stellt nicht, wie angenommen, einen Astronauten dar, sondern einen Jungen im Schneeanzug. Wäre es ein Astronaut, erklärt Torsten Illner, hätte man ihn mit einer technischen Konstruktion wie beispielsweise einem Atemgerät versehen. Die Figur stamme vermutlich aus Russland, was an ihrer Größe zu erkennen sei – 10 Zentimeter Höhe: „Das ist ungewöhnlich, die Figuren aus Lauscha zum Beispiel messen nur sieben bis acht Zentimeter“.

Natürlich – apropos Populärkultur – gibt es bereits die ersten Figuren mit Mund-Nasen-Schutz; auch einzelne Masken gibt es als geblasenen Weihnachtsschmuck. Als zeithistorischen Faktor wird sich Torsten Illner wohl auch ein solches Stück kaufen.

Kein Astronaut! Ein Junge im Schneeanzug ist es! (Foto: M. Ritzmann)

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