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„Erstens kommt es anders …“

Manon Bursian ist die Direktorin der Kunststiftung und Initiatorin des HEIMATSTIPENDIUMS. Im Interview spricht sie über die Herausforderungen des großen Programms, ob es eine Fortsetzung geben wird – und über Kunst.

 

Kunststiftung: Der zweite Teil des HEIMATSTIPENDIUMS mit seinem Ausstellungsmarathon neigt sich dem Ende zu. Sind Sie erleichtert?

Manon Bursian: Ich bin erstmal sehr glücklich, dass es gelungen ist, vor der vierten Welle der Pandemie den größten Teil der Ausstellungen eröffnet zu haben. Und welche Resonanz haben wir erfahren! Gleichwohl spüre ich auch etwas Traurigkeit, denn die schönen Momente der Herzlichkeit und der inneren Verbindung zwischen den Museen und den Künstlern werden wohl in den nächsten Wochen nicht mehr so möglich sein. Dennoch überwiegt die Freude.

 

Hat sich der hohe Einsatz gelohnt?

Sehr! Das HEIMATSTIPENDIUM ist ein Programm, das einen im positiven Sinne nachdenklich macht und das Nachahmer finden wird. Die Förderung von Kultur im ländlichen Raum wird ja gern in Papiere geschrieben, bei uns wird sie auf innovativste Weise praktiziert. Und wieder war es ein Experiment. Nichts war vorgefertigt. Mitunter sind es so winzige Institutionen mit großen Kostbarkeiten und einer noch größeren Geschichte, die wir mit Künstlerinnen und Künstlern vernetzt haben. Durch das Projekt hat man in zwei Jahren so viel erfahren, hat so viele nette und warmherzige Menschen kennengelernt…

 

Wird es eine dritte Runde geben?

Das hoffe ich sehr. Weil ich auf den Reisen gesehen habe, was es noch alles zu entdecken gibt – Havelberg, Weißenfels, Jerichow oder der Harz zum Beispiel. Ich denke, dass sich noch mehr kleine Museen bewerben würden. Sie haben oft interessante Sammlungen, weil sie anders sammeln als Nationalmuseen.

 

Würden Sie beim nächsten Mal etwas anders machen?

Ich denke, dass die aktuelle Runde einen Hauch zu groß war. Sieben oder acht Häuser reichen vielleicht.

Sie sind nun schon seit 17 Jahren Kunststiftungs-Direktorin. Kann Sie noch etwas an der Kunst überraschen?

Immer! Ich bin neugierig und glaube an die verändernde Kraft der Kunst! Auch bei diesem Großprojekt hat sich gezeigt: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.

 

Würden Sie aus Ihrer Erfahrung heraus sagen, dass es Strömungen in der Kunst gibt, Moden?

In der Bildenden Kunst nicht, die ist immer gleichmäßig stark. In der angewandten Kunst gibt es schon Wellen, aber das hängt sicher auch mit dem aufwendigen Schaffensprozess zusammen: Einen Teppich zu knüpfen oder Glas zu blasen, dauert einfach seine Zeit. Einen Trend gibt es aber, der nicht mehr aufzuhalten ist: die Auseinandersetzung mit der Nachhaltigkeitsproblematik. Unsere ökologischen Probleme sind eine große Herausforderung, und ich bin dankbar, dass die Kunst eigene Forderungen aufstellt.

 

Halle ist eine Stadt der Künstler. Auch eine Stadt der Kunst?

Über die Jahre bin ich glücklich geworden mit den Dingen, so wie sie sind. Natürlich kann man sich immer noch was wünschen… Aber es ist auch eine kleine, aber lebendige Kulturstadt. Ich habe eher das Problem, dass es in ganz Sachsen-Anhalt sehr viel zu sehen gibt und ich nicht überall gleichzeitig sein kann Es gibt hier oft große, tiefe Ausstellungen zu sehen, wobei mich besonders die junge Kunst interessiert mit ihren neuen Möglichkeiten.

 

Viele Künstler leben in prekären Situationen. Besorgt Sie das?

Ich habe festgestellt, dass viele Künstler eine pragmatische Lösung dafür gefunden haben, eine innere Balance zwischen ihrer künstlerischen Arbeit und Auftragsarbeiten zu finden. Ich sehe da eine positive Tendenz – aber natürlich sind die meisten der Künstler weit vom Durchschnittseinkommen entfernt.

 

Kann Politik daran etwas ändern?

Es geht um ein gesellschaftliches Klima der Anerkennung für die Kunst. Dass Kunst die Gesellschaft verändern kann und nicht danach beurteilt werden kann, ob sie zu etwas nütze ist. Hier bei uns in Sachsen-Anhalt ist die Atelierverfügbarkeit zum Beispiel sehr gut, auch die Möglichkeiten der Förderungen sind ein großes Plus.

 

Was plant die Kunststiftung für das neue Jahr?

Ich bin Optimistin und hoffe, dass wir im Februar am Neuwerk unsere große Erich-Dieckmann-Ausstellung eröffnen können. Das ist eine riesige Kooperation mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und ihrem Kunstgewerbemuseum und der Kunsthochschule Burg Giebichenstein zu diesem vergessenen Bauhäusler, der ja auch in Halle wirkte und mit seinen Typenmöbeln bekannt geworden ist. So ein großes Projekt – der Designer Stefan Diez macht die Ausstellungsgestaltung, der Typografen-Papst Erik Spiekermann die Gestaltung – hatten wir noch nie. Es geht um eine Neuverortung des Bauhauses, sehr außergewöhnlich. Als Kontrast ist außerdem ein romantisches Projekt zu Novalis geplant. Aber wir müssen wohl abwarten – ich wünsche mir einfach, dass wir wieder in den Takt und aus dem Stop-Modus herauskommen.

 

 

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