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Im Bann der Fahnen

Minimalistisch und kunterbunt zugleich sind die textilen Kunstwerke von Susanne Henny Kolp. Mit ihrer dreiteiligen Serie „Fahnen bilden“ widmet sie sich den Standarten und Fahnen als Reflexionsobjekte. Mit ihrer ganz eigenen Bildsprache schafft sie nicht nur eigene Fahnen, die mit ihren Symboliken und Metaebenen ganz eigene kleine Bildwelten sind, sondern analysiert zugleich die akademische Disziplin der Fahnenkunde.

Nähen und sticken und das Auftragen von ausgeschnitten Applikationen sind die typischen Bestandteile ihres Arbeitsprozesses. Das zeigt sich besonders in dem ausgestellten Werk „klares Wasser“ – einer aus Baumwolle und Satin genähten Fahne, in der sie mit einer minimalistischen Formsprache Bäume und Blätter, Wolken und Regen andeutet. Der knallig rote Grundton umrahmt die Naturszenerie. Diese basiert, so erzählt es die Künstlerin, auf einem Gedicht, das sie kurz vor dem ersten Entwurf der Fahne verfasst hatte und das sich mit dem Klimawandel auseinandersetzt und sowohl die heutige Bedrohungslage, als auch die Sorgen vor der dystopischen Zukunft andeutet.

Aus dem stillen Raume, auf der Erde Grund
liegt müde jedes einzelne Blatt,
Von diesem Wasser trinke ich nur,
weil mein Kopf den Halt nicht hat.
Salzig schwingt es auf meinen Liedern,
mag kaum nährende Lösung sein.
Übersättigtes Erwiedern lädt mein Meer zum Kippen ein.

„Wie oft in Gedichten, die ich schreibe, nehme ich einen Gedanken, aus populären Liedern auf und nutze ihn, um meine Gedanken in dessen Schwung zu wiegen“, sagt sie dazu. „Aus dem stillen Raume, auf der Erde Grund“ sei angelehnt aus einer Textzeile von Lili Marleen von Marlene Dietrich. Ein Lied, das sich dadurch ausgezeichnet hat, dass es im zweiten Weltkrieg von den Soldaten aller am Krieg beteiligter Nationen gleichermaßen gesungen wurde. Auch Fahnen sind Teil dieses kollektiven Moments von Erinnerung. Sie sind Symbole für Freundschaft und Feindschaft, für Nationalismus und Internationalismus und sie spiegeln die Geschichte wieder und erzählen zugleich Geschichten.

In das Gedicht und die dazugehörige Fahne seien zugleich Gedanken an das Waldsterben, die Umweltverschmutzung und Ertrinken im Mittelmeer miteinander verwoben. Das Baumstumpfsymbol, das die Fahne dominiert, ist ein beliebtes Symbol in der Fahnenkunde, es steht für Verwurzelung, Standhaftigkeit, Wachstum. Es scheint absurd, dass von diesem Stumpf kaum mehr Regung zu erwarten ist. Die Eichenblätter fallen, die Wolken nehmen das Wasser über dem Meer auf und tragen es als Regen ins Land. „Viel zu oft tun sie es aber mittlerweile nicht mehr“.

„Während der Arbeit an allen drei Fahnen wurde mir immer mehr klar, dass es mir kaum möglich ist eine scharfe Trennung zwischen der Komposition einer Fahne mit dem Themenschwerpunkt „Deutschland“ und „Europa“ zu machen, da es sehr starke Gemeinsamkeiten im politischen Agieren gibt. Bei der inhaltlichen Setzung für die Fahnen kristallisierten sich folgende Themen raus: Abgrenzung gegenüber anderen nicht europäischen Ländern und Flüchtlingen insbesondere durch geologische Grenzen wie Meere, die tiefe Problematik des rechten kolonialen Gedankenguts und ein obsoletes damit verbundenes Überlegenheitsgefühl, Kapitalismus und Zucker, die Heimatlosigkeit und nicht gelingende Integration Immigrierter, das Aussterben von heimischen Tierarten und fehlende Identifikation der Einzelnen mit dem Konstrukt Heimat in der Globalisierung“.

Susanne Henny Kolp wurde 1987 in Rostock geboren. Nach dem Abitur studierte sie zunächst Philosophie und Altgriechisch an der Universität Rostock. 2011 folgte ein Studium der Textilen Künste bei Professor Reimkasten Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. 2018 schloss sie das Diplom ab und arbeitete als Projektassistentin für die Werkleitz Gesellschaft und als kuratorische Assistentin für die Burg Galerie im Volkspark Halle. Seit 2020 freischaffend in Halle (Saale) tätig.

 

Abgeleitet von ihrem engagierten Werk, dass die Klimaproblematik andeutet, wird die Künstlerin beim Kinderkunstnachmittag mit Kindern und Jugendlichen Fahnen collagieren und sich mit ihnen über die Fahnenkunde austauschen.

Der Kinderkunstnachmittag „Das schreib´  ich mir auf die Fahne“ findet am Samstag, den 15. Oktober 2022, um 15 Uhr statt. Gemeinsam mit Susanne Henny Kolp können Kinder ab 10 Jahren Fahnen collagieren. Der Teilnahmebeitrag beträgt 5 €. Eine Anmeldung ist bis zum 7. Oktober 2022 erforderlich unter: veranstaltungen@kunststiftung-sachsen-anhalt.de



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