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Ingolf Kern – Wer hat die größte Tomate im Kreis?

Die ersten Gespräche mit den Künstlern für unseren Podcast führte Ingolf Kern. Er ist Publizist und Direktor der Abteilung für Medien, Kommunikation und Veranstaltungen bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Nach seiner Ausbildung zum Schriftsetzer war er viele Jahre lang als Journalist tätig, unter anderem für „Welt“ und „FAZ“.  Dann war er stellvertretender Chefredakteur beim Kunstmagazin „Monopol“, danach fünf Jahre Sprecher am Bauhaus in Dessau. Ab 2014 dann baute er die Kommunikationsabteilung bei der Stiftung in Berlin auf. Er hat selbst mehrere Bücher veröffentlicht; unter anderem sechs für Kinder zum Thema Bauhaus. Er lebt in Berlin. Journalistisch ist er zwar nur noch selten tätig, dann aber laut eigenem Bekunden mit viel Vergnügen. Wir sprachen mit ihm über – Gespräche.

 

Kunststiftung: Wie viele Interviews haben Sie in Ihrem Leben schon geführt?

Ingolf Kern: Das weiß ich nicht genau. 300 waren es aber mindestens.

Können Sie sich noch an Ihr erstes Interview erinnern?

Ja. Damals war ich Schülerpraktikant in Lokalredaktion Weißwasser der Lausitzer Rundschau. Ich habe einen Gärtner interviewt. Der hatte die größte Tomate im ganzen Kreis gezogen, das war das Thema. Seitdem weiß ich viel über Tomatenpflege, habe es aber selbst nie geschafft, gute Tomaten zu ziehen.

Sie haben viele Personen aus Politik, Gesellschaft und Kultur gesprochen. Welches waren Ihre persönlichen Highlights?

Davon gab es einige, aber besonders war die Arbeit – noch zu DDR-Zeiten – für die Lausitzer Rundschau. Für die habe ich neben meiner Ausbildung geschrieben. Das Blatt hatte damals eine Spalte, die hieß „Prominenten-Treff“. Anlässlich der 750-Jahr-Feier in Berlin bestand 1987 die Möglichkeit, wirklich berühmte Leute zu interviewen: Mary & Gordy, Gilbert Bécaud, Jürgen Frohriep … Das war sehr schön; auf die Artikel bin ich manchmal in meiner Heimatstadt schon auf der Bahnhosbrücke angesprochen worden. Und mit dem Honorar konnte ich meinen Führerschein finanzieren.

Was braucht es für ein gutes Interview?

Ein gutes Tonband und eine gute Vorbereitung. Die Fähigkeit, nicht nur abzufragen, sondern auch wirklich ein Gespräch zu führen. Jemanden an die Hand zu nehmen und in eine bestimmte Richtung zu führen, ohne ihn bloßzustellen. Vertrauen aufbauen zu können und Verantwortung für den Partner im Gespräch zu übernehmen.

Haben Sie Situationen erlebt, in denen Sie dachten, dass aus dem Gespräch nichts wird?

Ja, es gab schon schwierige Situationen. An einem trüben Tag in der leeren Berliner Volksbühne mit einem schlechtgelaunten Henry Hübchen zum Beispiel. Oder, gemeinsam mit der Fotografin Herlinde Koelbl, bei dem zunächst sehr zugeknöpften Bildhauer Stephan Balkenhol. Beide Gespräche sind letztendlich gut verlaufen; bei Balkenhol gab es am Ende Spaghetti und Rotwein und eines der besten und tiefsten Gespräche über Kunst, die ich je geführt habe.

 Welches Gespräch hat Sie am meisten bewegt?

Das mit Jörg Immendorff. Er war damals schon sehr krank und schwach, aber dennoch hellwach. Er konnte da schon nicht mehr selbst malen, hatte aber eine Factory aufgebaut, in der nach seinen Anweisungen gearbeitet wurde. Und er hat damals Jonathan Meese als seinen Nachfolger präsentiert, was uns sehr überrascht hat.

Langweilige Gespräche gab es sicher auch, oder?

Ja, die mit Gewerkschaftsfunktionären zu DDR-Zeiten zum Beispiel. Wobei – selbst die hatten ihre interessanten Seiten.

Zum Schluss noch was Skurriles, bitte.

Verrückt war eine Reise nach Moskau, 1987 war das. Ich war damals Volontär und habe einen Freundschaftszug begleitet zu einem Treffen; dabei waren so Mitarbeiter des „VEB Goldpunkt“ oder aus dem Fleischkombinat. Jedenfalls waren wir in einem Hotel am Roten Platz untergebracht. Damals war der Alkoholausschank schon eingeschränkt, in einer Bar gab es aber bei zugezogenen Vorhängen noch was zu trinken. Dort saßen wir mit einigen DDR-Künstlern und Tänzern aus dem Friedrichstadtpalast, plötzlich ging die Tür auf, und die Roadies von Pink Floyd kamen rein. Die Band gab in Moskau am nächsten Tag ein Konzert. Wir bekamen alle Backstage-Ausweise – ich habe meinen heute noch – und sind am nächsten Tag dorthin. Was die Bestarbeiter dann stattdessen besprochen haben, musste ich leider erfinden. Hat keiner gemerkt.

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