Loading...

Julia Rückert, Keramikkünstlerin: „Die Aufgabe ist, umzuschalten“

Natürlich sei es nicht leicht, sagt Julia Rückert. Die Kreativität leide, alles sei komprimierter, müsse strukturierter ablaufen. „Mein Partner ist ebenfalls Künstler, und wir haben ein Kind im Grundschulalter. Einfach mal Homeschooling nebenbei machen, geht bei uns nicht.“ Die Keramikkünstlerin erzählt, dass sie gegenwärtig nur zu bestimmten Zeiten in die Werkstatt kommt, und dann muss eben produziert werden. Keine Zeit, um erst einmal einen Tee zu trinken und die Gedanken schweifen zu lassen… Lieferverzögerungen aufgrund der Einschränkungen sind nicht das Problem der Künstlerin, Ton wird im Winter ohnehin nicht bestellt – Frost könnte seine Struktur zerstören. Die Glasuren, mit denen sie ihre „Mischwesen“ später überzieht, sind ebenfalls vorhanden. Alles gut also? „Ich ergebe mich einfach der Situation“, sagt sie, „ich bin positiver Stimmung.“

Mit ihrer Arbeit also kommt sie einigermaßen voran, wenn auch anders als gedacht. Im Rahmen des Heimatstipendiums der Kunststiftung schafft sie „Alternative ArteFakte“: Im Museum für Naturkunde und Vorgeschichte Dessau sind bekannte und seltene Tierarten als Präparate sowie ausgestorbene Eiszeitbewohner im Modell zu sehen. Von denen, ihrem Aussehen und ihren Fähigkeiten, ist Julia Rückert fasziniert. Sie erschafft eigene fantasievolle Geschöpfe, bei denen sich die Arten vermischen. Diese sogenannten „Chimären“ sind aus der griechischen Mythologie bekannt, wo die „Chimära“, ein feuerspuckendes Ungetüm, als Mischung aus Ziege, Löwe und Drache dargestellt wird. Die Tierskulpturen sind modular aufgebaut – das ermöglicht immer wieder eine Veränderbarkeit zu einem späteren Zeitpunkt. Geplant war für das Projekt auch die Zusammenarbeit mit Kindern – die muss gegenwärtig ausfallen.

Zumindest in physischer Form. Der von ihr initiierte Wettbewerb „Fantasiewesen gesucht“ nämlich ist auf großes Interesse gestoßen, täglich kommen mehrere Einsendungen per Mail bei ihr an. Die Künstlerin hat gemeinsam mit dem Dessauer Museum und der Stadt sämtliche in Sachsen-Anhalt lebende Kinder bis zu 14 Jahren aufgerufen, sich mit eigenen „Chimären“ am Wettbewerb zu beteiligen. Bis zum 28. Februar noch sichtet Julia Rückert die Einsendungen; eine Jury entscheidet später, welche Geschöpfe im Museum Dessau im Herbst 2021 ausgestellt werden.

Dieses Projekt läuft also; ihre eigene Situation bereitet ihr deutlich weniger Sorgen als die ihrer Künstlerkollegen. Julia Rückert ist im Vorstand des Berufsverbandes Bildender Künstler Sachsen-Anhalt (BBK), und dort ist die Stimmung gerade nicht so gut. „Viele der Künstler haben ein finanzielles Problem – sie haben keine Ausstellungen, ihre Plattformen sind weggebrochen, ihre Nebenjobs oft auch. Es gibt zwar Künstlerinnen und Künstler mit Onlineshops, aber das sind nicht viele.“ Julia Rückert sagt, dass viele Kunstschaffende von den Hilfsprogrammen enttäuscht seien: Entweder hätten sie erst gar nichts bekommen, oder sie hätten Gelder zurückzahlen müssen, weil zu Beginn nicht klar gewesen sei, dass eine KSK-Mitgliedschaft Voraussetzung für die Unterstützung ist. Der BBK konnte kürzlich wenigstens ein bisschen helfen: Dank einer großen Spende des Energieversorgers enviaM konnte ein eigenes Hilfsprogramm aufgelegt werden. Damit wurden notleidende Kunstschaffende unterstützt, die zuvor Gelder zurückzahlen mussten.

An der wichtigsten Aufgabe von Julia Rückert und dem BBK wird sich wohl so bald nichts ändern: weiterhin auf landes- und bundespolitischer Ebene auf passgenaue Hilfsprogramme zu bestehen und Kunstschaffende auf dem Laufenden zu halten.

 

Geboren in München | Ausbildung zur Rettungssanitäterin | Medizinstudium in Göttingen | Goldschmiedepraktikum in Göttingen | 2007-2012 Studium der freien Kunst an der Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design (Plastik/Keramik) | Diplom Juli 2012 | 2015-2019 Unterricht an der kooperativen Gesamtschule Ulrich von Hutten in Halle/ Saale (Keramik und kreatives Gestalten) | 2015 Gründung des Labels „MONJU Keramik“ | lebt und arbeitet in Halle an der Saale | seit 2016 Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler (BBK) Sachsen-Anhalt | 2017 Neueröffnung Atelier Ernestusstr. 1 in Halle | seit 2018 Vorstandsmitglied im Berufsverband Bildender Künstler (BBK) Sachsen-Anhalt

 

 

 

 



Bildergalerie »

Zurück zur Übersicht