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„Mit der Aufmerksamkeit für die Fatschenkinder habe ich nicht gerechnet“

Kristin Otto ist die Leiterin des Museums Schloss Moritzburg Zeitz. Sie spricht im Interview über das Überraschende am HEIMATSTIPENDIUM, über die Herkunft der Fatschenkinder und über die Herausforderungen, denen sich Museen heutzutage gegenübersehen.

Kunststiftung: Wie viele Gäste kommen im Normalfall in Ihr Museum?
Kristin Otto: In guten Jahren etwa 20 000 – aber nicht nur zu den Ausstellungen, sondern auch zu Veranstaltungen.

Werden es durch das HEIMATSTIPENDIUM mehr werden?
K. O.: An einen Zuwachs ist nicht zu denken, schon wegen der Pandemie. Wir hoffen aber darauf, Interessierte und Künstler von weiterher zu erreichen, und auf die Aufmerksamkeit eines kunstaffinen Publikums. Wir präsentieren ja auch außerhalb des HEIMATSTIPENDIUMS Kunst, dann aber eher aus der Region.

Warum wollte sich das Museum Schloss Moritzburg Zeitz am Stipendium beteiligen?
K.O.: Weil es ein tolles Programm ist, die Idee ist fantastisch. Es sind ja auch kleinere Häuser als unseres beteiligt. Das ist besonders reizvoll; ein anderer künstlerischer Blick auf die Sammlung wird so möglich, ein zeitgemäßer Kommentar auf die historischen Bestände. Ich habe die Kunststiftung ermutigt, sich mit dem Heimatstipendium auch an kleinere Häuser und in den ländlichen Raum zu wagen.

Hatten Sie eine Vorstellung davon, welcher Art die Kunst sein könnte, die für Ihr Haus entstehen würde?
K.O.: Mit der Aufmerksamkeit für die Fatschenkinder habe ich nicht gerechnet, eher mit dem Thema Kinderwagen. Das wäre naheliegend gewesen. Aber die Idee von Julia Schleicher ist ein ungeheurer Zugewinn – dieses Überraschende ist das Tolle an dem Projekt.

Sind denn die Besucher von den Fatschenkindern ebenso fasziniert wie die Künstlerin?
K.O.: Es ist ein kleines Exponat, das nicht im Zentrum der Führungen steht. Wenn die Leute die Fatschen aber entdecken, ist die Faszination groß. Viele würden sie gerne in die Hand nehmen, weil sie sie an Babypuppen erinnern. Was sie ja auch ein bisschen waren: Novizinnen haben sie bekommen als eine Art „Ersatz“ für ein eigenes Kind. Besonders in katholischen Gegenden waren die Puppen früher verbreitet, in vielen Längen bis hin zur Größe von Neugeborenen.

Darf das Museum die Fatschenkinder von Julia Schleicher behalten? Sie passen doch gut in die Sammlung…
K.O.: Sie bleiben vorerst bei Julia, aber wir denken über die Möglichkeiten eines Ankaufes nach.

Zur Sammlung: Was war eigentlich eher da – Kinderwagen oder Fatschenkinder?
K.O.: In der Sammlung selbst waren es zuerst die Wagen; später wurde sie erweitert mit Exponaten rund ums Kind. Fatschenkinder selbst aber gab es wesentlich eher.

Puppenwagen für Fatschenkinder gibt es nicht?
K. O.: Damit wurde nicht gespielt, sie sind keine Puppen im eigentlichen Sinn. Es gab vielleicht Wiegen, in denen die Fatschen auf Kissen gebettet wurden.

Wo werden die Fatschenkinder von Julia genau zu sehen sein?
K.O.: Zuerst einmal sind einige in einer Gegenüberstellung zu den Originalen schon in der Ausstellung HEIMATHORIZONTE in Halle in der Kunststiftung zu sehen. Bei uns werden sie in den Sonderausstellungsräumen gezeigt – und in einer Intervention im Deutschen Kinderwagenmuseum.

Hat das Museum Schloss Moritzburg Zeitz schon einmal an einem ähnlichen Projekt teilgenommen?
K. O.: An verschiedenen Verbundprojekten, gesteuert durch den Museumsverband, zum Beispiel in Form von Wanderausstellungen.

Was muss ein traditionelles Museum heute leisten?
K. O.: Ein schwieriges Feld: Altbewährte Aufgaben müssen weiterhin wahrgenommen, Sammlungen bewahrt und gepflegt werden. Hinzu kommen jetzt die Arbeit mit den sozialen Medien, die Provenienzforschung, die Digitalisierung. Es ist ein neues Arbeiten, der ursprüngliche Kern darf dabei aber nicht verlorengehen. Durch Corona sind die Herausforderungen für die Kommunen noch größer geworden: Die Häuser kosten Geld mit ihren historischen Gebäuden, dem Personal, dem Klimaschutz in den Depots oder den Restaurierungsprojekten. Da kämpfen viele Museen um ihr Überleben.

Die Museen verändern sich also. Die Besucher auch?
K. O.: Auf jeden Fall. Mit den sozialen Medien und der Bilderflut entstehen neue Sehweisen – die Besucher lesen nicht mehr gerne lange Texte. Wohltuend in den letzten Jahren ist aber der Umstand, dass zunehmend jüngere Menschen zu uns kommen; mehr Kinder mit ihren Eltern und Großeltern, viele junge Familien. Die Neugier ist groß, und wir freuen uns darüber.

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