Loading...

Zwischen den Stühlen

Auf den Spuren Erich Dieckmanns – Ein Möbelprojekt von Studierenden der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle

Das Projekt ZWISCHEN DEN STÜHLEN wurde im Sommersemester 2021 im Fachbereich Industrial Design/ System Design der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle realisiert. Das Semesterprojekt ist Teil der Ausstellung „Stühle! Dieckmann! Der vergessene Bauhäusler Erich Dieckmann“, welches, initiiert durch ein Gemeinschaftsvorhaben des Kunstgewerbemuseums der Staatlichen Museen zu Berlin, der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt und der Burg Giebichenstein, zunächst in Halle und dann in Berlin gezeigt wird. Unter der Leitung von Gastprofessor Konrad Lohöfener hat eine 16-köpfige Gruppe von Studierenden auf den Spuren Erich Dieckmanns eigene Möbelentwürfe entwickelt. Die Projektergebnisse sind in auf einer Website sowie in einer Dokumentation in Buchform zusammengestellt.

Zur Realisierung der Ausstellung bildete sich ein Team aus sieben Studierenden. Begleitet durch Konrad Lohöfener, wurde ein Aus­stellungsdesign entwickelt und umgesetzt. Erich Dieckmann war nicht nur Bauhäusler und einer der bedeutendsten Möbeldesigner seiner Zeit, er lehrte auch an der Burg Giebichenstein von 1931 bis 1933. Grund genug, dass sich die BURG anlässlich einer großen Retrospektive den Gestalter Erich Dieckmann vornimmt. Für 16 Studierende aus dem Fachbereich Industriedesign war sein Schaffen Ausgangspunkt für ein Semesterprojekt rund um das Thema Möbelgestaltung.

 

Wegweisende Entwürfe

Erich Dieckmanns Werk scheint heute aus unterschiedlichen Gründen nahezu in Vergessenheit geraten zu sein und wurde im kunsthistorischen Diskurs bisher nur bruchstückhaft beleuchtet. Dabei waren seine streng geometrischen Stuhlentwürfe und Typenmöbelprogramme mitunter wegweisend und sind bis heute als materialisierte Vision in der Symbiose von Kunst, Handwerk und industrieller Fertigung faszinierend. So interessant sein umfangreiches Werk auf der einen Seite ist, so widersprüchlich stellt sich andererseits seine Biographie dar, die mit dem gebotenen Abstand zu bewerten ist. Die Nähe und die Verstrickung Dieckmanns in das NS-Regime ab 1933 muss überaus kritisch betrachtet werden und bedarf einer genauen historischen Aufarbeitung.

Aus dieser Distanz versteht sich das Semesterprojekt. Im Kontext der Möbelgestaltung nehmen die Semesterarbeiten daher kontemporäre Perspektiven ein und wagen den Blick in die Zukunft.

Was sagt uns die Verheißung der Klassischen Moderne heute? Können wir damalige Gestaltungsansätze in die Zukunft transferieren, weiterentwickeln und somit neue Denkräume skizzieren und eröffnen? Sind die gestalterischen Ideen und Ideale der 1920er-Jahre für uns heute überhaupt noch relevant? Wie sehen unsere eigenen Vorstellungen für das 21. Jahrhundert aus? Und ganz entscheidend: Gelingt es, diese Überlegungen in substanzielle Objekte zu übersetzen?

Die Arbeiten der Studierenden behandeln inhaltlich eine ganze Bandbreite von ökologischen, ökonomischen, kulturellen und sozialen Fragestellungen und gehen dabei sehr konkret auf unterschiedliche Aspekte ein. Wie können wir beispielsweise Material sparsam einsetzen? Können wir sortenreine und nachhaltige Verbundwerkstoffe erfinden? Wie sind die Ideen der Kreislaufwirtschaft in die Herstellung von Produkten integrierbar? Kann man traditionelle Handwerkstechniken und Rituale in heutige Entwürfe überführen? Wie verhandeln wir Sitzmöbel im öffentlichen Raum? Und auf welche Weise reagieren wir ganz aktuell auf die enge Verflechtung unserer Lebens- und Arbeitswelten durch die Veränderung der Corona-Pandemie – Stichwort Homeoffice? Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung sind vor allem auch die konstruktiven Details der Arbeiten bemerkenswert und verweisen auf den entwurfspraktischen Fokus im Arbeitsprozess. Dabei wurden bestehende sowie neue Materialien, Technologien und Verbindungsmethoden untersucht und Konzeptansätze experimentell in Studien, Modellen und schließlich Prototypen und Installationen umgesetzt.

Der Projekttitel »Zwischen den Stühlen« verrät besonders eines. Es geht nicht in erster Linie um die Objekte selbst, sondern um das »Dazwischen«. Das Wortspiel beschreibt genau diese Ambivalenz, die Vieldeutigkeit, die Wechselwirkung oder das Abwägen von Positionen. Eine Herausforderung, welche die vorliegenden Arbeiten der Studierenden auf ganz unterschiedliche Weise widerspiegelt und zudem aufzeigt, wie viele nahezu unendliche Wege es gibt, um die Welt der Möbel als Entwurf zu entdecken.

Hinweis:

Projektwebsite (https://www.burg-halle.de/zwischendenstuehlen) mit weiteren Details zum Semesterprojekt und einer anschaulichen Illustration zum Prozess der Studienarbeiten

Konrad Lohöfener
Gastprofessor Industriedesign

 

 

Luis-Konstatin Schlicht: MRS1, 2021 (Foto-CHOREO Roman Häbler, Lars-Ole Bastar)

Bildergalerie »

Zurück zur Übersicht